90 Tage auf Bewaehrung
eine Gouvernante auf mich einzureden. Ich nahm schlagartig drei bis vier Kilo ab - vor lauter Schreck! »Gemeinsame Kontoführung? Was ist denn das für ein Mist! Ronja? Du musst kalt duschen. Hat’s dir das Hirn verbrannt?«
»Nein, ganz im Ernst. Du bist über 30, deine Knie runzeln, deine Mutter will endlich Enkel, Ella braucht auch ein Geschwisterchen und, machen wir uns nichts vor, deine Uhr tickt...«
»Ronja, dein wievielter Saunagang ist das? Du redest dummes Zeug. Ist doch noch alles viel zu früh.«
»Du behauptest doch nicht ernsthaft, dass du noch nicht über deine Zukunft nachgedacht hast? Wo siehst du dich zum Beispiel in zehn Jahren?«
»Hier in der Sauna. Leider ohne meine Freundin Ronja,
weil ich die nämlich an irgendeiner Raststätte ausgesetzt habe - wegen permanenter dämlicher Nachfragen. Aber gut... Eigentlich soll alles so bleiben, wie es jetzt gerade ist.«
»Aha, hübsch unverbindlich, meine Liebste! Wann wollen wir denn mal die Hintertürchen schließen?«
Ich musste zugeben - manchmal erwischte ich mich bei dem Gedanken: Alleine hatte ich es ja auch ganz gut hingekriegt. Das waren die Momente, in denen ich genervt war, weil zum Beispiel seine Klamotten in meinem Kleiderschrank hingen, wo sowieso schon gar kein Platz mehr war. Eigentlich wollte er nur eine Jeans mitbringen - inzwischen beherbergte ich eine komplette Herrenkollektion. Sportswear.
Während ich so vor mich hin grübelte, stand Jörg ewig unter der kalten Dusche. Was zu einem klaren Kopf, aber auch zu gewissen Schrumpfmechanismen an anderen Körperstellen führte. »Guck mal, hat sich die kleine Schildkröte vor den Mädels versteckt? Einfach so. Na, wo ist sie denn?«, jubilierte ich. Jörg schmiss mit der Seife und zeigte sich ansonsten völlig unbeeindruckt. »Muss schlimm sein mit so’ner Wellpappe an den Oberschenkeln durchs Leben zu stampfen. Du solltest gar nicht lange überlegen, ob dich seine Klamotten im Schrank nerven. Behalt ihn, heirate ihn, mach Babys, und iss weiter Schokolade. So schnell kommt nämlich kein anderer mehr.«
Ronja nervte weiter: »Also - wo sitzt du in zehn Jahren? Reihenendhaus oder Altbauwohnung?«
Ich war einfach nur froh, immerhin schon zu wissen, wo ich gerade saß - mit meinem Hintern auf einem heißen Stein in diesem Wellness-Hotel. Über mehr musste ich mir doch jetzt wirklich keine Gedanken machen. Oder doch? »Altbauwohnung natürlich«, grinste ich Ronja an. »240 Quadratmeter, mit Kamin und Terrasse.«
»Natürlich, Madame! Aber was ist denn, wenn der Liebste lieber mit Filzpantoffeln durch ein Reihenendhäuschen schlurft? Und sich mit großer Hingabe um den englischen Rasen und den Biokompost-Haufen bemüht? Nichts da mit urbanem Leben zwischen Premierenfieber und Kaffeehaus-Atmosphäre. Vielleicht will er ja auch fünf Kinder, dann hast du sowieso zu nichts mehr Zeit. Von deiner Figur mal ganz abgesehen.«
»Wieso? Bei der Cellulite machen fünf Schwangerschaften auch nichts mehr aus. Aber stell dir mal vor... nur noch dieser eine Mann? Für immer und ewig. 20, 30 Jahre der gleiche Kerl neben dir auf dem Kopfkissen«, grinste Jörg und zeigte seine gut gewachsenen Zähne.
Ronja toppte diesen Wahnsinn noch einmal: »Jeden Morgen Stullen schmieren, Urlaub nur noch mit dem Wohnmobil, über jeden ausgegeben Euro musst du Rechenschaft ablegen, und für deine Freunde hast du gar keine Zeit mehr.«
Aha..., es dämmerte mir. Daher wehte der Wind. Die sind neidisch! Spielverderber! Wollen mir mein unbeschwertes Glück zerquatschen. Auf der anderen Seite musste ich ziemlich kleinlaut vor mir selber zugeben, dass ich darüber auch schon nachgedacht hatte: Klar war ich verliebt. Seit drei Monaten. Aber reichte das für 30 Jahre? Ja, ich liebe auch das Bild vom alten Pärchen auf der Parkbank unter der Kastanie. Aber meistens aufgenommen von einer Kamera mit Weichzeichner, weit weg von jeder Realität.
Gibt’s denn so was noch? Liebe, die Jahrzehnte hält? Silberhochzeiten, goldene Hochzeiten? Bei der diamantenen kommt heutzutage doch schon der Bürgermeister in Begleitung eines Praktikanten der Bezirkszeitung beim Jubelpaar vorbei. Und dann passiert wahrscheinlich das, was ich neulich
in der Zeitung gelesen habe: eine zu schöne Tiergeschichte! Ein kleines Waiseneichhörnchen war aus dem Nest gefallen, hatte dabei ein Beinchen verloren, wurde von einer Tierschützerin gefunden, aufgepäppelt und kuschelte jetzt am liebsten mit dem Familienkater. Ein deutscher Fernsehsender
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