~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
oft leer. In der Leere schwebe ich herum, schaue mich um, treibe dahin und der Tag verfliegt, meine Gedanken beschäftigen sich mit anderen Dingen …
… Es ist schwer Freundschaften auf dem Jakobsweg zu pflegen. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, seinen eigenen Rhythmus. Passen zwei Rhythmen nicht zueinander, begegnen sich diese Menschen hier nur einen einzigen Abend, sehen sich danach niemals wieder. Obwohl immer Menschen um mich herum sind, bin ich letztendlich ganz alleine. Mit mir, meinen Gedanken, meinen Schritten. Einsamkeit trotz hunderter Menschen. Sie tut mir gut. Dennoch erschreckt es mich ein wenig. So schnell habe ich mich an das Unwissen gewöhnt, ob ich jene, mit denen ich eben noch gegessen, gelacht und geredet habe, jemals wiedersehe. Es ist nicht einfach damit leben zu müssen, dass Personen, die man gerade kennengelernt und liebgewonnen hat, am nächsten Tag verschwunden sein könnten.
Jeder Tag ist Abschied, jeder Tag ist willkommen.
25.08.08 24km nach Estella - Eine Woche Camino und nicht viel zu schreiben
38 Tage liegen noch vor mir, 10 schon hinter mir. Ich kann Zeit nicht mehr fassen wie zuvor. Sie verliert ihre klaren Grenzen mit jeder Stunde die ich gehe. Heute habe ich vergessen wie man schreibt. Nicht die Buchstaben fehlen mir, sondern die Momente die mich erleuchten. Der Tag ist hell, die Augen der Menschen strahlen, doch begegnet mir kaum eine Geschichte. Ich gehe einfach. 20 Kilometer ohne große Probleme, erst die letzten vier werden schwierig. Wieder zuerst das Knie und dann – das ist neu – Hüftschmerzen. Mit einer Plötzlichkeit die mich überrascht wird das Gehen anstrengend. Ich stöhne auf, stolpere beinahe über einen Stein, doch dann sehe ich schon die Stadt. Noch ist sie weit entfernt, es geht leicht bergab.
Eine Lektion des Weges ist auch, dass ich mich niemals zu früh freuen sollte! Eine Stadt, die ich schon sehen kann, ist vielleicht gar nicht mein Zielort. Der Weg, auf dem ich gehe, ist oft länger, als er von oben gesehen schien. Genauso gilt aber, dass ich nicht zu schnell schwarzsehen sollte. Ein riesiger Gipfel kann sich schnell als kleiner Zwergenbuckel erweisen. Oder der Weg führt gar nicht darüber. Einfach mal schauen wenn ich da bin scheint eine der besten Einstellungen zu sein.
Bei jedem Schritte überlege ich, wie ich ihn setzen soll, damit er leicht wird, nichts belastet. Dann kommen die Zweifel. Kann ich Santiago jemals erreich, mit einem schlimmen Knie? Kann ich nicht einmal dieses hier zu Ende bringen? Wenn schon sonst nichts in meinem Leben … dann bitte doch wenigstens dieses. Die letzten Meter zur Herbere hinauf sind nicht schön. Es geht so steil nach oben. Ich gehe seitwärts. Schleiche. Dann endlich, kann ich mich setzen.
Eine Stunden später stehe ich staunend in einem Supermarkt. Die Größe, das Angebot, die Farben, ich habe es nicht vermisst, aber jetzt stehe ich dort wie ein kleines Kind. Was man alles kaufen könnte, was man alles kochen könnte. Die Auswahl überfordert mich. Nach nur zehn Tagen ist das sonst so Bekannte völlig neu. Tapfer widerstehe ich der Versuchung. Kaufe keine Pizza, keine Chips, warum weiß ich nicht genau, aber jetzt steht fest, dass ich auf diese meine Suchtmittel verzichten werde auf dem Weg. Zum Pilgern gehört für mich manches auch zu fasten.
26.08.08 21km nach los Arcos - Ein Ausflug in die Hölle
Hitze. Lange - sehr lange - einsame Schotterwege bis an den Horizont. Jeder Schritt ist schwerer als der davor. Ich bin in einer Teilzeithölle gelandet. Die Sonne, gebündelt wie durch eine Lupe. Wie ein Pfeil. Wie … ich kann es nicht beschreiben. Es ist sogar zu heiß zum Denken. Das irrsinnige Bild von einem Verdurstenden in der Wüste kommt mir in den Sinn. Schatten gibt es keinen.
Ab und an liegen riesige Heuballen in der Landschaft, wie träumende Giganten einer anderen Welt. Nur an ihnen entlang zieht sich manchmal ein schmaler Pfad von grauer Kühle. Ansonsten sieht es aus als wäre ein Feuerwagen durch die Felder gerauscht. Die Farben glänzen wunderschön, alles ist gelb, orange und grau der Schotter.
Meine Beine wollen nicht weiter, kein Schritt mehr möchte gegangen werden, ich komme kaum voran, stolpere oft, werde immer langsamer.
Bewege ich mich eigentlich noch?
Die drei Engländerinnen passen auf mich auf. Ich sehe wohl so aus wie ich mich fühle. Schrecklich also. Sie weigern sich, mich alleine laufen zu lassen. Menschlichkeit, die mich kurz verärgert. Lasst mich
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