Operation Foxbat: Thriller (German Edition)
Prolog
18. September 2003 Pjöngjang, Nordkorea
»Können wir das schaffen?
Die Frage – leise, kaum lauter als im Flüsterton gestellt – kam von einem kleinwüchsigen Mann, der in einem großen Polstersessel am Kopfende des Tisches saß, doch sie legte sich über den Konferenztisch wie ein dunkler Schatten an einem sonnigen Tag. Von keinem der sechs Männer, die mit ihm am Tisch saßen und fast identische hellbeige Jacken im Mao-Stil trugen, kam eine Antwort. Stattdessen drehten sie sich in ihren Sesseln leicht zur Seite und blickten zu einem achten Mann in einem Sessel am anderen Tischende.
Er war ein wenig jünger als die anderen, aber trotz der nahezu gleichen Bekleidung kennzeichnete ihn der deutliche Abstand zu den anderen als Bittsteller. Er sagte einige Sekunden lang nichts, sondern blickte konzentriert auf die Papiere, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
»Für diese Angelegenheit gibt es nur ein sehr enges Zeitfenster«, antwortete er schließlich, »aber der entscheidende Faktor ist, dass wir nur diese eine Gelegenheit haben werden. Wenn die Amerikaner die neue Technologie, über die sie nach eigener Aussage verfügen, tatsächlich perfektionieren konnten, werden wir wohl ein solches Unternehmen nie mehr durchführen können.«
»Das war nicht meine Frage, Pak Je-San. Beschränken Sie sich freundlicherweise nur auf Tatsachen. Über die Strategie werde ich selbst entscheiden.«
Pak errötete leicht. »Es tut mir leid, General. Ja, ich glaube, wir können es schaffen.«
»Pak ist, wie ich finde, zu optimistisch, und er scheint merkwürdig uninformiert zu sein, was bestimmte Aspekte unseres technischen Entwicklungstands betrifft.« Der Sprecher – Kim Yong-Su – saß direkt neben dem Mann am Kopfende des Tisches. »Insbesondere scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass unsere Kernwaffen zurzeit noch viel zu groß sind, um als Nutzlast von der Taep’o-dong-2-Rakete befördert zu werden. Wie will er es dann bewerkstelligen, dass unsere Forderungen für die Amerikaner glaubhaft klingen?«
Sieben ausdruckslose Gesichter blickten zum anderen Tischende.
»Wir brauchen keine Rakete mit einem Sprengkopf zu bestücken«, erklärte Pak Je-San eilig. »Wir müssen die Amerikaner lediglich davon überzeugen, dass uns dazu die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Ihnen dafür die entsprechende Bestätigung zu liefern dürfte für unsere Zwecke völlig ausreichend sein.«
»Und wie wollen Sie das schaffen?«, wollte Kim wissen. »Ihnen einfach eine dementsprechende Botschaft zukommen zu lassen wird nicht ausreichen. Und da Sie anscheinend eine Art Ablenkungsmanöver planen, hier ein kleiner Tipp: Vergessen Sie nicht, dass ihre Satelliten uns ständig überwachen. Ihre technischen Spionagefachleute werden sämtliche Bilder, die sie sich verschaffen können, genauestens prüfen.«
»Genau das kalkuliere ich ein, Genosse Kim«, erwiderte Pak.
»Erklären Sie«, zischte der Mann am Kopfende des Tisches.
Das dauerte nicht sehr lange. Pak hatte seine Präsentation mehr als ein Dutzend Mal überarbeitet und sie bis auf das absolute Minimum abgespeckt, das nötig war, um zu erläutern, worin genau sein Vorhaben bestand.
Als er geendet hatte, ergriff Kim Yong-Su als Erster das Wort. »Wenn ich Sie richtig verstehe, Pak, machen Sie den Vorschlag, mehrere Millionen Dollar und fast unsere gesamten Plutoniumvorräte einzusetzen, um diesen … diesen Zaubertrick durchzuführen, den Sie sich ausgedacht haben.«
»Aber wenn es klappt«, erwiderte Pak, »dann, finde ich, hätte es sich gelohnt.«
»Dem stimme ich zu.« Abermals waren die Worte kaum mehr als ein gehauchtes Flüstern.
»Aber es gibt da noch einen anderen Aspekt, den Sie anscheinend vergessen haben.« Kim Yong-Su hatte nicht die Absicht, Pak Je-San so leicht vom Haken zu lassen. Der junge Mann war der Chef von Büro 39 des Zentralkomitees – der nordkoreanischen Regierungsabteilung, die die Produktion harter Drogen im Land sowie das dazugehörige Schmuggelnetzwerk kontrollierte. Aber er diente beim Militär und hatte den Rang eines tab-ryong, eines Oberst der Armee erreicht, ehe er zum Büro 39 versetzt wurde.
»Angenommen, Ihr Plan funktioniert«, sagte Kim. »Und angenommen, Sie schaffen es, dass die Amerikaner tatsächlich glauben, was Sie ihnen weismachen wollen. Was meinen Sie, wie sie reagieren werden?«
»Sie werden wahrscheinlich versuchen, diplomatischen Druck auszuüben, und wenn sie damit keinen Erfolg haben, ziehen
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