~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Weg hinein in die Stadt führt über einen schönen Fluss. Das Wasser spielt mit kleineren und größeren Steinen, es rauscht und gluggert und gluckst. Sonne bricht sich glitzernd hier und dort. Ich schaue zu, während meine Beine wie automatisch weitergehen. Ganz in der Nähe ist schon die Herberge, die noch lange nicht öffnen wird, so dass ich mich neben diese an eine Mauer setze und Zeit habe eine Bestandsaufnahme zu machen.
Zuerst stelle ich fest, dass heute in den Weiten des Rucksacks mein Deo verloren gegangen und nicht mehr auffindbar ist. Wo auch immer es liegt, vielleicht kann es jemand gebrauchen. Ich versuche mich so wenig wie möglich darüber zu ärgern und nehme mir vor noch etwas besser auf meine Habseligkeiten aufzupassen. Ich lache wieder einmal über mich selbst und über meine Schusseligkeit. Schon daheim beherrsche ich kaum mein Chaos, doch hier ist meine Welt auf mich selbst und jene Kleinigkeiten in meinem Rucksack geschrumpft. Dennoch verliere ich Dinge, verlege sie, finde sie nicht wieder, obwohl sie irgendwo sein müssen. Auf weniger als einem Quadratmeter finde ich nicht was ich suche. Vielleicht finde ich es in der Weite.
Dann betrachte ich die Blase an meinem linken Fuß. Sie sieht böse aus. Sie ist aufgerissen und blutet ein wenig. Aus irgendeinem Grund tut es aber kaum weh wenn ich unterwegs bin. Als würde der Schmerz nach einer Weile entscheiden, dass es keinen Sinn hat mich weiter zu belasten, wenn ich sowieso trotzdem weitergehe.
Der Nachmittag ist ruhig und entspannt. Mit Manuela zusammen koche ich ein kleines aber gutes Essen, wir machen das Beste aus dem Wenigen, das es im kleinen Laden der Stadt gibt. Gemeinsam begegnen wir manchen Pilgern.
„Ich gehe heim“. Niedergeschlagen sitzt ein Pärchen auf dem Bordstein. Sie fummelt an einer Blase an ihrem Fuß herum. Er nickt nur stumm.
Ich verstehe nicht genau wie man so schnell aufgeben kann. Ob sie wohl wirklich hier sein wollten, jemals? Ich werde es nie erfahren.
Die Herberge erweist sich als wunderbar. Sie ist in der stillen Heiligkeit einer Kirche gelegen. Ich wandle durch die Gänge, weiß oft nicht wo Herberge ist, wo Kirche. Verschmelzung. Der Herbergsvater scheint gleichzeitig der Pfarrer zu sein, jedenfalls hat er eine starke religiöse Bindung. Ich kann sie sehen, spüren, ohne ein einziges Wort zu verstehen von dem was er sagt. Ich glaube er erzählt mir von den Bildern, den dargestellten Heiligen, von seiner Kirche. Er ist so freundlich, dass ich mich fühle als hätte ich eine Heimat gefunden. Ich weiß, dass sie nur diese Nacht währen wird.
23.08.08 10km nach Cizur Menor - Starke Knieschmerzen und Urlaubsgefühle
Ich sitze in Pamplona und warte darauf, dass die Apotheke öffnet. Mein Knie schmerzt sehr, ich kann kaum gerade gehen, stütze mich auf meinen Wanderstab, denn anders geht es nicht mehr.
Über den Platz auf dem ich sitze laufen immer wieder Menschen. Manche hektisch, andere beinahe mit stoischer Ruhe. Ich sehe Urlauber, Touristen und Einheimische und fühle mich deplatziert. Eine Fremde huscht heran, den Fotoapparat gezückt, bittet mich zu posieren. Ich bin Pilger und damit interessant. Ich lächle, obwohl ich mir seltsam vorkomme. Ich bin nicht fotogen, ich bin kein Wahrzeichen, ich bin nichts Besonderes. Und mein Körper am Ende seiner Möglichkeiten.
Dem Apotheker erkläre ich in meinem gebrochenen Spanisch, dass er kurz warten möge. Ich wühle nach meinem Wörterbuch, er lacht und versteht. Offensichtlich freut er sich dass ich versuche Spanisch zu reden. Er empfiehlt mir eine Salbe, einen Verband – und dazu noch Schmerztabletten, man könne schließlich nie wissen. Ich schmiere, verbinde, schlucke die Tablette und humple weiter.
„Hola!“ ruft mich ein älterer Spanier. Er radebrecht. Ich verstehe kaum. Offensichtlich will er mir den Weg zu verschiedenen Krankenhäusern erklären. Ein Fremder sorgt sich mehr um mein Knie, als ich mich selbst. Ich danke ihm. Und gehe weiter.
Langweilig! Mir ist einfach nur langweilig! Mein Knie hat mich dazu gezwungen schon nach zehn Kilometern aufzugeben. Natürlich bin ich nun viel zu früh in Cizur Menor. Alles in mir treibt mich weiter. Wie an einer Schnur werde ich auf den Weg gezogen und muss doch bleiben. Eigentlich wollte ich die Zeit nutzen um Postkarten zu schreiben, an Freunde, Familie, doch habe ich wohl vergessen welche zu kaufen. Ich weiß nicht wie ich den Tag noch betrügen soll um einige Stunden, bin ihm und der Zeit
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