911
nicht reif. Die Grundkonzeption des ersten Porsche, der 1948 auch so genannt werden durfte, war bereits in dem Kleinwagenentwurf für NSU, genannt Typ 32, vorhanden: Er besaß ein Fließheck und einen Vierzylinder-Boxermotor im Heck, der luftgekühlt war. Nach der Machtergreifung der Nazis und des ziemlich autoverrückten Führers präsentierte Ferdinand Porsche im Januar 1934 seine Vorstellung eines »Deutschen Volkswagens«. Wichtig war ihm dabei neben Windschnittigkeit, technischer Innovation und einem bezahlbaren Preis ein neues Grundverständnis des Volkswagens: Er sollte – wie Porsche in einem Exposé für das Reichsverkehrsministerium ausführte – keine Schrumpfform eines großen Wagens sein, sondern etwas ganz Eigenes auf der Höhe der Zeit. Die Verwendung für das Militär deutete er lediglich in einem Nebensatz an. Wenig später nach der selbstbewussten Bewerbung erhält die kleine Stuttgarter Manufaktur vom Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) den Auftrag zum Bau dieses Kleinwagens. Aufgrund der unzähligen Vorarbeiten und Prototypen, die Porsche bis dahin schon entworfen hatte, konnte bereits ein Jahr später eine Art Ur-Käfer vorgestellt werden. Ende 1935 wurden der erste und der zweite Versuchswagen in München Adolf Hitler präsentiert, der ziemlich begeistert war.
Weniger begeistert war die Konkurrenz über den neuen Liebling des Führers und die kleine Ingenieursbutze in Stuttgart, die dabei war, den vielleicht größten Auftrag der 30er Jahre zu bekommen. Die Missgunst störte Porsche kaum. Unbeirrt reist er in die Vereinigten Staaten, um dort bei Ford und General Motors zu studieren, wie effizient undzügig Kleinwagen produziert werden können. Im Mai 1937 wird in Berlin die »Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH«, kurz GeZuVor, gegründet. Ferdinand Porsche wird einer der drei Geschäftsführer und soll sich im noch zu gründenden Volkswagen-Werk um Planung und Technik kümmern.
Doch Porsche ist keineswegs mit den Anfängen von VW absorbiert und so vergrößert sich die Stuttgarter Porsche KG, wie das Unternehmen mittlerweile heißt, fortlaufend. 1938 erfolgt der Umzug nach Zuffenhausen, wo später das Porsche-Werk 1 entstehen wird. Ein Jahr vor Kriegsbeginn ist der Volkswagen fertig. Im Mai findet bei Fallersleben die Grundsteinlegung für das Volkswagen-Werk statt. Ferry Porsche berichtet, dass Hitler es gerne »Porsche-Werk« genannt hätte, aber der Geehrte dies abgelehnt hat. Darüber wurde einiges Politische hereingeheimnist, doch Porsche war auf sehr deutsche Art bemüht, dem Politischen auszuweichen. Von seinem Enkel, Ferdinand Piëch, wird er deswegen als politisch naiv »wie ein Kind« bezeichnet und als ein Tüftler geschildert, der nahezu ausschließlich an den technischen Dingen interessiert war. Er trug keine Uniformen und suchte eine pragmatische Nähe zum Nazi-Staat, ohne dabei zum begeisterten Mitläufer mutieren zu müssen. Den Führer nannte er stets »Herr Hitler«. Die Barbarei des Holocausts, die Judenvernichtung, die KZs, all das sollte in der Welt des Ingenieurs außen vor bleiben. Dabei profitierte insbesondere die deutsche Auto- und Wehrindustrie von den Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, die in den Werkhallen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten. Ein besonders dunkler Schatten fällt auf das Ausscheiden von Adolf Rosenberger, der kaufmännischer Geschäftsführer bei Porsche war. 1935 wurde der einst engeFreund Porsches wegen Rassenschande verhaftet und in ein KZ gesteckt, das er aber nach wenigen Tagen verlassen konnte. Er floh daraufhin über die Schweiz nach Amerika – dank der Hilfe der Porsches, wie diese in ihren Erinnerungen behaupten. Rosenberger sah das anders. Für die von ihm an Ferry abgetretenen Firmenanteile wollte er nach dem Krieg eine Entschädigung, die er auch in Gestalt von 50.000 Mark und einem Porsche erhielt.
Der Käfer entstand in der düstersten Zeit der deutschen Geschichte und sieht so gar nicht danach aus. Er war verglichen mit den anderen Kleinwagen dieser Zeit ein eleganter, wohlproportionierter Fünfsitzer, dessen anthropomorphes Antlitz mit den Glupschaugen und der hohen Stirn alle Merkmale des Kindchenschemas aufwies und damit eine Voraussetzung für seine bald globale, jahrzehntelange Popularität war. Grimmig wirkte der Käfer nicht einmal in der schwarzen Standardlackierung. Als wüsste dieses Fahrzeug von seinem Ruhm in künftigen Friedenszeiten, blieb ihm das
Weitere Kostenlose Bücher