Aasgeier
ach-ja-Kopfbewegung.
„Sie starb Anfang der Fünfziger", sagte der Künstler. „Ich war damals heilfroh, weil sie mir nur noch Ärger machte und mich ein Wahnsinnsgeld kostete, aber nachdem sie weg war, habe ich mich doch nach ihr gesehnt. Zu spät. Die hat mich dauernd verklagt wegen unerlaubter Abbildung in einer erotischen Darstellung. Was immer das auch heißen mochte. Und immer wurde ich von den Zeitungen durch den Kakao gezogen, wegen der vielen Titten und weil sich die Alte damit eine goldene Nase verdiente. Ich habe mich nämlich jedes Mal, ehe die Klage vor Gericht kam, mit ihr verglichen, habe ihr einen Batzen Schmerzensgeld bezahlt und dafür hat sie die Klagen fallen lassen. Natürlich habe ich durch die viele Publicity die Dinger für ein Schweinegeld verscheuert, also waren die paar Tausender für die Ehemalige nur ein Teil der Herstellungskosten, aber auf die Dauer kam doch ein ordentlicher Betrag zusammen.“
Er schaute liebevoll auf sein neuestes Bild der Dame, die ihn nun nicht mehr erpressen konnte. Ich musste lachen.
„Zorbian, alter Junge, auf der Ebene kommen wir uns näher. Ich glaube, ich habe gerade einen sehr ähnliches Erlebnis mit meiner Frau.“
„Hat jeder“, winkte der berühmte Gartenzwerg ab. „Deswegen halte ich mich schon lange ans viel schönere Geschlecht. Nicht wahr, Süßer?“
Bobby errötete hold und nickte. Au weia. Wusste ich nicht. Der Mensch lernt immer dazu, zumal dann, wenn er so naiv ist wie ich. Damit keine Missverständnisse aufkommen, lächelte ich den beiden zu und machte aha.
Bobby meinte, wir sollten uns mal hinsetzen und die Einzelheiten meiner Bestellung besprechen. Was Zorbian wohl als Wink mit dem Zaunpfahl verstand und sich entfernte.
Erst mal Fotos. Seine Polaroidpassbildkamera hatte er in der Zimmerecke aufgebaut, Jacketts, Brillen, Perücken und Gesichtsbehaarung waren im Schrank daneben, und ich musste lachen, als ich an seinen Schwur vor vier Jahren dachte: „Das waren die letzten faulen Fleppen, die ich je hergestellt habe". Sagte es damals mit treuem Blick und baute anschließend die Legendenausrüstung sicher nur aus Nostalgiegründen auf.
Er arbeitete noch immer flott. Fragte wie alt ich sein wollte, wie ich heißen wollte, ob ich arm oder reich, gebildet oder nicht, Hampelmann oder steif sein wollte. Und dann schoß er Fotos, kleidete mich entsprechend, retouchierte, daß ich glatte zehn Jahre jünger aussah, und versprach, in zwei Tagen alles parat zu haben. Ob ich irgendwo warten und ihn dann anrufen wolle, vielleicht in seinem Haus in Cornwall? Oder ob ich lieber hier bliebe? Sie hätten ein Häuschen nebenan, das ich ein paar Tage lang bewohnen könne, falls ich Lust hätte. Worauf ich sofort einging. Ideal, hier zwei Tage nur hängen zu lassen. Er freute sich, als ich einwilligte. „Können wir uns ein bißchen unterhalten. Schön.“
Na, also. Ich trug meine Tasche ins Nachbarhaus und haute mich erstmal aufs Bett. Ruhig war´s hier. Man hörte das Meer ganz in der Nähe, hörte, wie die Brecher auf den Strand schlugen. In der Ferne bellten die paar Seeelefanten, die noch nicht aufs hohe Meer zurückgekehrt waren. Möwen kreischten, die Luft roch nach Tannen, Salz und Jod.
Wie bei mir zuhause in Striker Beach, in meinem Strandhäuschen. Ich merkte, wie ich nostalgisch wurde. Im Nu war ich eingeschlafen.
18 Chinesen und falsche Fleppen
Der Mond schien schwach und rund durchs Fenster, als ich aufstand. Das hat man davon, wenn man als erwachsener Mensch vorm Abendessen ins Bett geht. Ich duschte geschwind, streifte einen Pullover über die Klamotten vom Vortag und ging hinaus in den jungen Tag.
Hinter den Bergen ging gerade die Sonne auf. Der Himmel über der Sierra Nevada leuchtete orange, die ersten rosa Streifen zeigten sich im Westen, angestrahlte Nebelfetzen und Wolkenreste, die dem Meer ein eigentümliches Glühen verliehen. Außer der Brandung war nichts zu hören. Kein Verkehr auf dem Highway, der von hier aus nicht einzusehen war, keine Tiere, keine Vögel, kein Mensch. Eine herrliche Stunde. So sollte man leben, so früh aufstehen und den Tag richtig genießen. Ich rechnete schon wieder, um wie viel man die bewusst gelebten Lebensstunden verlängern konnte, wie ich es als Kind tat. Damals wollte ich nicht ins Bett, weil mir klar war, dass jede im Schlaf verbrachte Stunde mir irgendwann fehlen würde.
Ich saß am Strand bis die Sonne hoch hinter mir stand. Die Ebbe hatte einen langen
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