Aasgeier
Santo Domingo zurückverfolgen, und dann verläuft alles im Sand. Habe schon alles probiert, auch über die Banken, aber ich finde keine Empfangsbank. Misty und ich haben zwar einen fundierten Verdacht – später, später“, winkte er ab, als ich dazwischenfragte, „aber nichts Konkretes. Hört einfach auf.“
Der Computerspezialist kann nicht alles wissen. Die ganze Internetgeschichte ist so kompliziert geworden, die Geier so clever und die Internetkriminalität so ausgeklügelt, dass nur Spezialwissen weiterhilft, eine Spezialisierung, die immer auf dem neuesten Stand gehalten werden muss.
„Ich habe einen der besten Hacker eingeschaltet, habe ihm zehntausend Dollar bar auf die Hand gegeben, und der ist genauso weit gekommen wie ich. Ich stehe wirklich auf dem Schlauch. Was ich weiß ist fünf Jahre alt, meine Erfahrung ist aus der Steinzeit.“
Scheiße, Kollege. Da kann man die Kohle nur abschreiben. „Was machen wir jetzt?“ Alles schaute belämmert, selbst Ignacio ließ den Rüssel hängen.
In mir kam der alte Zorn wieder hoch. „Ich weigere mich, einfach aufzugeben. Irgendwer lacht sich eins, wenn er an uns denkt. Und das mag ich nicht. Lasst euch was einfallen. Irgendwas müssen wir unternehmen, irgendwie zu unserem Geld kommen.“
Einfach gesagt, mein Lieber. Dass die Bude versichert war, bestätigte Misty. Sie hatte die Papiere und Quittungen, aber „hole du mal von einer mexikanischen Versicherung Geld, wenn sie nicht zahlen will.“ Klar, da lag der Haken. Und lehnen sie Deckung ab? „Vorläufig", sagte sie. „Wir haben die Anwältin Maria Esther Quiñonez de Sandoval in Mexicali beauftragt, und sie hat schon die notwendigen Vorbereitungen getroffen, aber du weißt ja, wie sich so was hinziehen kann.“ Wusste ich, ja. Wir kannten beide genügend Leute, die mit mexikanischen Behörden, Versicherungen und Immobilienmaklern zu tun gehabt hatten. „Aber sie ist dran, die Lizenziatin?“
„Ist sie, ja. Mit ordentlichem Vorschuss und meinem Versprechen, für alles aufzukommen.“
Na, dann war das schon mal weg. Was denn mit dem Geld in der Wüste sei, wollte Rick wissen. „Kein Problem. Ich habe es erst vor ein paar Tagen besucht. Es liegt warm, trocken und sicher da, genauso, wie ich es vergrub. Können wir jederzeit holen.“ Misty winkte ab – auf den europäischen Konten lag noch fast eine Viertelmillion.
„Peso?“
„Euro. Zum Glück. Waren Dollar, aber als Washington mit dem Kriegsgeschrei nicht aufhören wollte, habe ich sie umgetauscht.“
Scheint eine gute Sache zu sein. Ich hatte von Devisen keine Ahnung, aber wenn sie´s sagt. Nicht schlecht. Da konnten wir erst mal ruhig schlafen, oder? „Ja“, nickten beide. Konnten wir.
Wodurch der Abend dann doch noch lustig wurde. Ignacio ließ Rotwein auffahren, nicht das Messzeug, sondern den guten. Wir prosteten uns zu. Misty schaute etwas besorgt, als ich nach dem dritten Glas zu nuscheln begann, aber Ignacio flüsterte ihr zu, dass ich so abstinent geworden sei, dass mich zwei Gläser schon fliegen lassen. Sah sie positiv – in Baja mussten es noch zwei Flaschen sein.
Und als wir alle so lustig dasaßen, erkundigte sich Misty nach Winston. Wo der denn sei, und was er mache. „War gerade vor ein paar Tagen hier; haltet ihr keinen Kontakt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir haben seit Monaten nichts von ihm gehört. Allerdings habe ich ihn auch nicht angerufen. Wollte nicht unbedingt, dass er uns erreichen kann.“ Was mich völlig überraschte.
„Wieso denn das?“ muss ich ziemlich erstaunt gefragt haben, denn sie antwortete wegwerfend; „weil ich ihn kenne.“ Und sagte nichts mehr dazu. Meine Listenparanoia blühte wie der Flieder im Mai. Die Muffe ging wieder eins zu tausend. Verdammt, der wusste doch, dass die beiden herkamen, dass wir uns treffen. Oder haben wir ihm das nicht gesagt? Ignacio meinte, wir hätten, was Misty so ziemlich aus der Fassung brachte.
„Wem habt ihr denn noch erzählt, dass wir kommen? Verdammt, wenn ich das gewusst hätte. Wie konntet ihr nur?“ Ich erinnerte mich an den Tag, als ich sie kennenlernte. Stand auf der Treppe vorm Haus in der Wüste und keifte genauso. Durchdringend und nervtötend. Man sucht automatisch den Ausschaltknopf.
„Jetzt gib mal Ruhe,“ wurde Ignacio sauer. „Winston ist nicht der Feinste, aber er ist unser Freund. Und würde nichts tun, was einem von uns schaden könnte. Das weißt du ja vielleicht noch.“
„Scheißdreck. Winston ist ein Drogenhändler!
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