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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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Äußerungen, einfach alles aufgezeichnet, dessen sie von den dreien habhaft werden konnten.
    Edda, Simon und Linus hatten absolute Priorität!
    Die Frau musste sich konzentrieren, sie musste jetzt ruhig bleiben. Es war ihre Aufgabe gewesen, die Kritische Masse seit ihrer Entdeckung unter Beobachtung zu halten, und es hatte perfekt funktioniert. Im Camp, im Museum ... Jetzt aber konnte sie die Jugendlichen nicht mehr aufspüren. Die Gefahr war groß, dass sie ihrer Überwachung entkommen waren. Sie waren nicht wie die anderen Campteilnehmer in Richtung der Disco auf dem Teufelsberg gegangen. Das hatte die Frau noch im Blick gehabt. Dann aber war das Signal plötzlich erloschen und sie hatte exakt nach Vorschrift gehandelt und Clint und seine Leute sofort zu der Stelle dirigiert. Zu spät ...
    Warum hatten sich die drei abgesetzt?
    Was hatte sie vor dem Abend in der Disco gewarnt? Hatten sie Verdacht geschöpft? Wenn es so war, konnte es gefährlich werden. Die gesamte Mission könnte scheitern. Das wusste sie nur zu genau.
    Die Frau starrte auf den Bildschirm.
    Von dem Standort Clints und seiner Leute führte ein Schacht tief unter die Erde und dann quer zu einer U-Bahnlinie. Ein Notausstieg offenbar.
    Nervös klickte die Frau mit dem Kugelschreiber, während sie auf ein Signal aus den Eingeweiden der Stadt wartete. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann würde sie wissen, ob sie versagt hatte. Ein billiger Kugelschreiber war das Ding da in ihrer Hand. Ein Werbegeschenk? Auf dem Bügel prangten sieben rote Buchstaben in Druckschrift. Schon ein bisschen abgeschabt von ihren nervösen Fingernägeln und dennoch gut zu erkennen: gene-sys .
    Die Frau nahm ein Kaugummi, um sich zu beruhigen. Verdammt, wo waren die drei Jugendlichen ...?
    [ 1112 ]
    Simon tastete sich voran. Hastig. Er versuchte, sich auf seinen Atem zu konzentrieren. So wie bei den Ausdauerläufen, die er seit einigen Jahren trainierte. Seltsam, dachte er, dass aus dem Weglaufen vor anderen eine Passion geworden ist. Simon hatte darin sein Talent entdeckt, gerade als er befürchtete, dass er absolut kein Talent für irgendetwas hätte. Und als er lange genug gelaufen war, war aus dem Weglaufen ein Zusichkommen geworden.
    Es gab damals so viel, vor dem er weglaufen wollte. Weglaufen musste. Die ewigen Streitereien der Eltern. Die Provokationen der „Attack-Türks“, der Migrantenjungen aus der Nachbarschaft. Die Schule.
    Simons Familie war so ziemlich die einzige deutsche Familie, die auf dem Pestbuckel, einem Problemviertel von Mannheim, wohnte. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil Simons Mutter eine Anhängerin von Multikulti war. Ihr Credo lautete, dass man niemanden diskriminieren dürfe. Dass Araber und Schwarze auch Menschen seien. Immer wenn seine Mutter solche Parolen schwang, dachte Simon, dass sie damit erst recht diskriminierend war. „Auch Menschen“ ... Was sollten sie denn sonst sein? Und reichte es überhaupt, „auch Mensch“ zu sein? Es gab Menschen, die brutaler als Raubtiere waren, und wenn es zufällig Araber waren, dann waren es eben Araber. Simon war es egal, welcher Hautfarbe derjenige war, der ihm auflauerte. Und wenn er mal wieder mit blauen Flecken und geschwollenen Augen nach Hause kam, sagte er nicht, was passiert war, sondern erfand eine Lüge, weil das einfacher war. Ein Sturz mit dem Fahrrad, ein Sportunfall ... Und immer spielte die Mutter das Lügenspiel mit, obwohl sie es sicher besser wusste. „Pass besser auf!“, sagte sie nur, um sich ja nicht mit der Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen.
    So war es zu Simons Strategie geworden wegzulaufen. Auch vor dem schlimmen Tag im November. Als das erste Eis die beiden Seen hinter der Siedlung bedeckte. Simon und David hatten sich davon locken lassen. Es war so herrlich gewesen, schwerelos über das Eis zu gleiten. Das dünne Eis. Dann dieses Geräusch. Wie ein Peitschenknall schoss es heran. Ein eisiger Blitz. Vom Ufer her. Dann brach das Eis; unter David. Simon hatte versucht, ihn zu retten, doch vergeblich. Er selbst konnte sich ans Ufer retten, wo er verzweifelt und hilflos auf den See hinausspähte. Von David keine Spur mehr. Simons kleiner Bruder war ertrunken ...
    [ 1113 ]
    „Ich kann nicht mehr!“, keuchte Edda und blieb stehen. Sie rang nach Luft. Es war stickig und eng hier unten.
    Zum Glück gab es alle 100 Meter eine Notbeleuchtung. Im grünen Licht der Funzeln sahen die Spinnweben, die von der Decke hingen, aus wie grüner Schleim, der jeden

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