Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
kannst du mir nicht antun!«, jammerte ich in mein Handy und steuerte im Regendunst durch den Verkehr der Innenstadt von Royal Oak.
»Abby, alle anderen habe ich schon angerufen. Du bist jetzt die Einzige, mit der ich das noch hinkriegen kann - außerdem bist du mir noch was schuldig«, mahnte Kendal.
»Ach komm, Kendal! Muss ich meine Schuld denn unbedingt morgen Abend begleichen? Das ist für mich der mieseste Zeitpunkt überhaupt.«
»Das ist nicht meine Hochzeit, Abby. Schließlich habe nicht ich das Datum ausgesucht, sondern das Brautpaar.«
Ich schnaubte frustriert. Ich wollte nicht Ja sagen. Ich hatte sogar das starke Gefühl, dass ich Nein sagen sollte, aber mein Kollege steckte in einer Klemme. Außerdem hatte er mir vor ein paar Monaten ausgeholfen, als ich mich einige Wochen lang erholen musste, nachdem ich mit einem Psychopathen aneinandergeraten war. Er hatte recht: Ich war ihm einen großen, einen ganz großen Gefallen schuldig. Und bei anderen in der Kreide zu stehen mochte ich überhaupt nicht.
Das Blöde an Kendals Bitte war, dass mein Freund am selben Tag von seiner Ausbildung beim FBI in Quantico zurückkommen würde und der Abend unser Abend sein sollte, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Dutch war vorher Polizist beim Royal Oak PD gewesen und hatte sich beim FBI beworben. Wir waren noch nicht lange zusammen und eigentlich mussten wir unsere Beziehung erst noch vollziehen - weshalb dieser Abend so wichtig war.
»Kendal, ich flehe dich an, gibt es denn niemand anderen? Irgendeinen Hellseherpraktikanten? Einen arbeitslosen Schauspieler, der den Leuten was vormachen kann?«
»Niemanden, ich schwöre. Und der Auftritt ist wirklich wichtig für mich. Er ist für Ophelia Kapordelis und ihren Vater Andros. Ein schwerreicher Mann übrigens. Es ist nicht wenig, was er mir bezahlt, und ich kann die Kohle gut gebrauchen. Außerdem bist du mir was schuldig.«
Ich nahm das Handy vom Ohr und streckte ihm die Zunge raus. Wenn er das noch einmal wiederholte, würde ich durch die Leitung kriechen und ihm einen Knoten in die Nase machen. Ich seufzte demonstrativ und startete einen letzten beherzten Versuch. »Kannst du es nicht auch allein machen?«
»Eine ganze Hochzeitsgesellschaft? Abby, bist du verrückt? Selbst zu zweit werden wir froh sein können, wenn wir die dreißig Leute durchkriegen. Ich habe der Braut zwei Hellseher versprochen, sie hat bereits für zwei bezahlt und sie wird zwei bekommen, weil du es mir schuldig bist!«
Meine Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen. Verdammt, er hatte es wieder gesagt. »Aber ich weiß doch nicht mal, wie man Tarotkarten deutet!«, schrie ich.
Zu Beginn unserer Unterhaltung hatte Kendal erwähnt, dass die Braut einen Tarotkartendeuter bestellt hatte. Er hatte den Auftrag zusammen mit einem Freund angenommen, der ebendies beherrschte. Leider war der vor einer Stunde wegen eines Blinddarmdurchbruchs ins Krankenhaus eingeliefert worden darum nun Kendals hektischer Anruf.
»Ich kann es dir beibringen. Komm einfach eine Stunde vor der Hochzeitsfeier zu mir nach Hause. Und wir gehen es zusätzlich noch einmal durch, wenn wir in dem Saal angekommen sind Es ist ziemlich einfach. Wahrscheinlich kapierst du es sofort. Und wenn du mal hängen bleibst, kannst du die Karte einfach hinlegen und sagen, was dir gerade in den Sinn kommt. Du hast quasi alle Freiheiten, okay?«
Inzwischen war ich in meinen Stellplatz in dem Parkhaus eingebogen, das gegenüber von meiner Praxis lag. Meine Niederlage vorausahnend, ließ ich die Stirn aufs Lenkrad sinken. Ich würde aus der Geschichte nicht mehr herauskommen.
Ich ließ sein »Okay?« in der Luft hängen und suchte weiter nach einem Ausweg. Meine Intuition summte laut und ich wusste, dass meine Crew - die Geister, die mich leiteten, und die diversen Engel, die ich bei solchen Angelegenheiten konsultierte - mir den Rücken stärkte.
Doch leider war ich Kendal den Gefallen wirklich schuldig. Er steckte in der Klemme und brauchte mich und der Auftrag war extrem gut bezahlt. Er hatte sein Honorar erhöht, sodass es einen Riesen pro Nase gab. Mein Konto würde sich wirklich freuen.
»Na gut«, sagte ich und schloss die Augen.
»Super! Also, die Feier findet im Plaza Casino in der Innenstadt statt. Komm doch gegen sechs vorbei, dann fahren wir zusammen hin. Weißt du noch den Weg zu mir?«
»Ich werd’s schon finden.«
»Gut. Mach dich ein bisschen schick. Denk dran, das ist eine reiche Familie.«
»Kendal?«, fragte ich
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