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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hochzeitsgäste alle wieder beisammen und auch der Steiger dazu. Als er aufgefordert wurde, seine Ansicht herauszusagen, warf er diesem Gaste ein Ag 2 S zu; einem anderen gab er das Ag 5 SbS 4 zu verstehen; ein dritter bekam das Ag 3 AsS 3 zu hören, und als er einem vierten gar das (Ag 2 Cu 2 )S + Sb 2 As 2 S 3 mit 64 bis 72 Prozent Silber über die ganze, lange Speisetafel hinunterrief, da hörte man auf, ihn zu belästigen, und er hatte erreicht, was er erreichen wollte: Er konnte essen und trinken, ohne bei jedem Bissen das silberne Damenbergle mit hinunterschlucken zu müssen.
    Und wie hier an der Festtafel, so ging es in der folgenden Woche auch drüben am Wasser, welches so ruhig und still wie vorher rund um das jetzt ganz auseinander gesprengte Bergle floß. Es war eine gelehrte Kommission dagewesen. Hierauf wurden mehrere praktische Bergleute gesandt, die alles auf-und umwühlten. Was gefunden wurde, nahm man mit, und als der Musteranton dann nach der Stadt ging, um sich seine »Millionen« auszahlen zu lassen, bekam er grad und genau fünfhundert Taler auf den Tisch gelegt, die er schmunzelnd einsteckte und quittierte.
    »Ich bin sehr froh, daß es nicht mehr geworden ist!« sagte er daheim zu Marie, als er ihr diese Summe brachte, damit sie von ihr aufbewahrt werde. »Das Geld hätte mich vielleicht zum Protzen gemacht, der nicht mit seinem Häusle auf dem Bergle zufrieden ist, sondern es grad so verkehrt anfängt wie jetzt der Musterwirt, der nun mit seinem ›Herrn Frömmelt‹ einen Palast errichtet, der gar nicht in die Armut unseres Webertales paßt!«
    Das kleine Männle baute nämlich auch. Es war über Antons Silberfund erst außerordentlich erschrocken gewesen. Als aber das geringe Resultat bekannt wurde, beruhigte es sich schnell. Die paar Taler, welche mit dem Bergle verloren gegangen waren, wurden durch die Geschicklichkeit des neuen Kompagnons ja hundertfach ersetzt. Es kam jetzt gar viel Geld ins Haus. Was aber nützt dieses Geld, wenn man nicht zeigen darf, daß man es hat! Es galt also, den Leuten einen Weg vorzutäuschen, auf dem es scheinbar verdient worden war. Das Mustergeschäft wurde erweitert. Herr Frömmelt knüpfte Verbindungen mit dem Auslande an, sogar mit Amerika. Man brauchte also mehr Maschinen zum Schlagen der Karten als bisher, und infolgedessen größere Räumlichkeiten. Dabei verstand es sich ganz von selbst, daß an dieser Erweiterung auch der Gasthof teilzunehmen hatte. Es war ein großer Tanzsaal nötig, damit der arme Weber sich auch einmal ein Vergnügen machen könne. Dazu gehörte unbedingt eine chemische Schnapsfabrik, denn Schnaps ernährt das Blut, gibt also Leben. Auch ein Verkaufshaus für alle möglichen Waren, wo dem mittellosen Arbeiter geborgt wird, was er braucht; nur muß er sich verpflichten, nie anderswo zu kaufen, wenn er die Arbeit behalten will. Sodann hat man den vielen, kleinen, selbständigen Unternehmern zu zeigen, daß man die Macht besitzt, alles in einer Hand zu vereinigen. Es ist unsagbar vorteilhafter für das Volk, wenn einer viel verdient, als wenn viele wenig oder nichts verdienen. Er hat sie dann zu ernähren. Kurz und gut, der Musterwirt war bisher bei diesem Namen genannt worden, weil er neben seiner Schankwirtschaft auch die Musterschlägerei betrieb; von nun an aber wollte er der Volkswirtschaft die Muster liefern, nach denen der arme Mann sich in sein Schicksal zu fügen hat! Darum mußte gebaut werden, groß, breit und hoch!
    Die Aufsicht über den Bau übernahm Herr Frömmelt. Sein Schwiegervater konnte das nicht, weil er jetzt sehr oft verreiste. Die neuen Geschäftsverbindungen erforderten das. Daß er bei seiner Heimkehr stets größere Summen mit nach Hause brachte, aber nie in Kassenscheinen, das brauchte niemand zu wissen, obgleich es schon im ganzen Dorfe bekannt geworden war, daß Herr Frömmelt einen unauslöschlichen Haß auf papierenes Geld geworfen hatte. Auch konnte er neue Taler nicht gut leiden.
    So wuchs aus dem kleinen Gasthof eine lange, mehrere Stockwerke hohe Straßenfront heraus, welche die Firma ›Etablissement zum Musterwirt‹ bekommen sollte. Die arme Weberbevölkerung wußte gar nicht recht, woran sie eigentlich damit war. Der große ›Ballsaal‹, welcher gebaut wurde, wollte nicht mit ihren geringen Arbeitslöhnen harmonieren. Als dann an den neuen Parterrefenstern die Namen von über zwanzig Schnäpsen in goldenen Buchstaben zu lesen waren, da schüttelte man den Kopf, ging aber doch hinein, um sie

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