Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
mich noch vorsichtiger gemacht. So oft der Musterwirt Gutes zu tun scheint, hat er Böses im Sinne! Jetzt aber muß ich eilen. Leb’ wohl, Marie!« – – –
In den nächsten Tagen kam es zuweilen vor, daß ein dumpfer Knall im Dorfe zu hören war.
»Der Musteranton sprengt sein Damenbergle auseinander,« sagte man.
Fast noch mehr aber interessierte man sich für die Neuigkeit, daß der Musterwirt einen reichen Kompagnon bekommen habe, der Frommhold Uhlig heiße und dem Geschäft einen höheren Schwung verleihen wolle. Sie seien schon seit langer Zeit bekannt; das könne man daraus ersehen, daß der Kompagnon die Tochter des Wirtes heiraten werde. Nun wisse man auf einmal, warum ihr keiner der hiesigen Burschen vornehm und gut genug gewesen sei. Die Vorbereitungen zur Vermählung wurden in größter Oeffentlichkeit getroffen, und als der Tag kam, gab es eine Hochzeit, zu der beinahe das ganze Dorf geladen war.
Man hatte erfahren, daß der Bräutigam sich mit wohl hunderttausend Talern an dem Geschäft beteiligen werde, wenn auch nur nach und nach, weil so ein Unternehmen um so solider sei, je langsamer es wachse. Es war also kein Wunder, daß man ihm überall mit der größten Höflichkeit begegnete. Dennoch wurde er, dem hiesigen Sprachgebrauche gemäß, nur mit seinem Vornamen genannt, und zwar mit der Veränderung, welche der erzgebirgische Dialekt mit sich bringt: Herr Frömmelt, anstatt Frommhold. Auf das ›Herr‹ hatte er auch in den Fällen nicht zu verzichten, daß er später mit diesem oder jenem Brüderschaft machte. Es klingt da oben so gar nicht übel, wenn man jemand sagen hört: »Wie geht es dir, Herr Frömmelt?« oder beim Kartenspiele: »Das mit dem Eichelsolo, das hast du ganz verkehrt gemacht, Herr Frömmelt!«
An seinem Hochzeitstage gab es ein Ereignis, welches ihm fast alle Gäste wohl mehrere Stunden lang entzog. Und wohin? Hinüber nach dem Bergle! Grad als er mit seiner Braut vor dem Altar stand, ertönte ein gewaltiger Krach. Der Musteranton hatte beim Sprengen mehrere Lunten zugleich in Brand gesetzt, und so geschah es, daß die Detonationen zusammentrafen. Man hörte den Schüssen an, daß sie eine große Wirkung hervorgebracht haben mußten. Welcher Art diese Wirkung war, das erfuhr man, als der aus der Kirche zurückkehrende Hochzeitszug am Gasthofe anlangte. Der Anton war zwar auch zum Feste geladen worden, hatte aber verzichtet, zu erscheinen, weil es nicht für nötig gehalten worden war, auch Maria mit einzuladen. Jetzt kam er aber doch, freilich nicht im hochzeitlichen Kleide, sondern im Arbeitsanzuge und bestaubt und beschmutzt vom Kopf bis herab zu den Füßen. Er hatte etwas in der Hand.
»Wo ist der Herr Bergwerkssteiger, der mit geladen ist?« rief er in den festlichen Zug hinein.
»Hier!« antwortete der Beamte.
»Bitte, schauen Sie an, was ich hier habe! Was ist das wohl?«
Der Steiger nahm den Gegenstand, warf einen Blick auf denselben und rief dann aus:
»Alle Wetter! Das ist ja gediegenes Silber! Wo haben Sie das her?«
»Aus meinem Bergle.«
»Wann gefunden?«
»Soeben jetzt. Es ist noch mehr da.«
»Wo ist dieses Bergle?«
»Gleich da drüben am Wasser.«
»Wem gehört es?«
»Mir.«
»Nicht dem Fiskus?«
»Nein.«
»Das ist ein Ereignis! Meine Pflicht ruft mich hinüber. Bitte, führen Sie mich!«
Er verließ den Zug. Andere folgten sogleich. Die Kunde von dem plötzlichen, unerwarteten Funde ging wie ein Lauffeuer durch das Dorf. Am fünften Hause hieß es: »Der Musteranton hat Silber gefunden, eine ganze Stufe!« Am zehnten: »Der Musteranton hat einen ganzen Tragkorb reines Silber gefunden!« Am fünfzehnten: »Der Musteranton hat drei zweispännige Fuhren Silber aus dem Bergle herausgesprengt!« Und so wuchs die Menge des Metalles von Minute zu Minute so an, daß die Bewohner des letzten Hauses hörten: »Das Damenbergle ist ganz aus gediegenem Silber. Es liegt bis tief in den Erdboden hinein. Der Musteranton wird mit einem Schlage der größte Millionär!«
Was Beine zum Laufen hatte, das lief zum Bergle hinaus. Im Gasthof saß für einige Zeit das Hochzeitspaar mit dem Brautvater ganz allein am Tisch. Dann aber ging die Aufregung ebenso schnell wieder zurück. Aus dem ganzen Bergle von Silber wurden die »drei zweispännigen Fuhren«, aus diesen der »ganze Tragkorb voll«, aus ihm die »ganze Stufe«, und als man endlich wieder auf das »Stück gediegenen Silbers« gekommen war, von welchem der Steiger gesprochen hatte, saßen die
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