Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
zu kosten. Da gab es Tische, welche für das Kartenspiel besonders hergerichtet waren. Das hatte man noch nie gesehen. Später wurde der Verkaufsladen eröffnet. Er bestand aus mehreren Abteilungen. Jedes Fenster hatte nur eine einzige, große Scheibe. Die aus der Stadt verschriebene Bedienung war ungeheuer höflich. Die Erwachsenen wurden nur mit ›Herr‹ und ›Madame‹ angeredet, die Schulmädchen mit ›Fräulein‹. Und was das ganz Besondere war: Man brauchte nicht gleich Geld. Wenn man fünf Groschen zahlte, so bekam man ein Buch, in welches alles eingetragen wurde. Man hatte nur zu unterschreiben, daß man bei keinem anderen kaufen werde, sonst sei der Betrag sofort gerichtlich auszupfänden. Man konnte alles haben, was der Mensch zur Nahrung, Kleidung und zur Wirtschaft brauchte. Daher kam es, daß ein jeder, der nur für einige Pfennige Pfeffer oder Salz in seinem Buche stehen hatte, auch gleich einen Sonntagsrock, ein Federbett, ein Möbel oder gar auch einen Ackerpflug geborgt bekam. Das war doch fein! Die Anerkennung für die beiden Musterwirte wuchs ein ganzes Jahr hindurch fast in das Himmelblaue hinein. Denn sogar den Schnaps, das Bier, den Tanz brauchte man nicht sogleich mit barem Gelde zu bezahlen. Es gab dafür besondere kleine Karten, die man ›Konsumbillets‹ nannte. Als es im nächsten Jahr zu einer Pfändung kam, der bald einige andere folgten, blieb den Betroffenen nichts, als das nackte Leben übrig, aber sie hatten es auch verdient, weil sie während dieser ganzen Zeit mehr im Gasthofe als daheim zu sehen gewesen waren.
Es verstand sich ganz von selbst, daß die menschenfreundliche Geschäftsführung der Musterwirte nicht bloß in ihrem Wohnorte anerkannt wurde. Man kam auch von den anderen Dörfern her, um bei ihnen einzukaufen. Die zwei Herren ›Buchhalter‹, welche angestellt worden waren, konnten mit vollem Recht erzählen, daß es in der Umgegend Tausende von ›Einkaufsbüchern‹ gebe, deren Besitzer nur von der ›Kulanz‹ ihrer beiden Prinzipale abhängig seien. Man munkelte zuweilen, daß dieser oder jener so tief ›in der Kreide stehe‹, daß er wohl kaum werde bezahlen können. Hörte man dann, daß er seine ganze Schuld mit einem Male berichtigt habe, so pflegte man scherzhaft zu sagen, daß wahrscheinlich das ›Geldmännle‹ bei ihm gewesen sei.
Es kam eine Zeit, in welcher man behauptete, daß es keinen gebe, der nicht in den Schuldbüchern der beiden Musterwirte verzeichnet sei. Dann fügte man aber stets zwei Ausnahmen hinzu, indem man den Herrn Pastor und den Musteranton nannte. Diese beiden standen ganz gewiß nicht darin.
Der Herr Pastor war ein gar eigener Charakter. Er stand sich mit allen Leuten gut, auch mit den beiden Musterwirten, die zu seinen besten Kirchenbesuchern gehörten. Aber als er einmal von Herrn Frömmelt gefragt wurde, ob er nicht auch ein Konto bei ihm haben wolle, antwortete er, jeder Mensch stehe schon bei dem Herrgott so tief im Konto, daß er seine irdischen Sachen unbedingt bar zu bezahlen habe. Das soll sogar ein wenig ironisch geklungen haben, was gar nicht zu verwundern war, weil der Herr Pastor überhaupt eine ironische Ader besaß, aus welcher auch die allerliebste Erzählung von Pluto und Vulkan stammte, denen das ›Musterbergle‹ bei der nachherigen größeren Ausführung so wunderbar in die Breite gelaufen war.
Und was den Anton betrifft, so sagte man von ihm, seine Marie sehe es nicht gern, wenn er mit den beiden Wirten mehr verkehre, als seine Musterzeichnerei für sie unbedingt erfordere. Was er brauchte, das kaufte er, ebenso wie der Herr Pfarrer, in dem einzigen Laden, den es noch gab, weil die anderen alle durch die gewaltige Konkurrenz des ›Etablissements‹ erdrückt worden waren. Der Ertrag des Silbers hatte im Verein mit der stillen Hypothek hingereicht, das geplante Häusle auf-und auszubauen. Es war sogar ein Sümmchen übrig geblieben. Das Gärtle war entstanden, dazu ein Brückle über den Bach. Dann hatten die Schneeglöckchen und Narzissen geblüht, und hierauf war eine stille, aber frohe Hochzeit gehalten worden, mit nur ganz wenigen Gästen, nämlich dem Herrn Pastor und der Witwe samt den Kindern. Die älteste Tochter derselben hatte sich inzwischen verheiratet und kam mit ihrem Manne sehr oft ins kleine Häusle. Sie brachten später ein allerliebstes Büble mit, welches Hermännle hieß, und dessen Hauptvergnügen es war, sich auf die Ziege zu setzen, um zu reiten. Als er das schon beinahe konnte
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