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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ohne sich halten zu lassen, machte er einst gar große Augen, als die Marie ihm ein ganz, ganz, ganz kleines Kindle zeigte, welches sie ihr ›Herzle‹ nannte. Es war in ein Bettle gebunden und nur allein für ihn gebracht worden, um seine Gespielin und Gefährtin zu werden. Das freute ihn so, daß er ihr sofort die Ziege schenken wollte, die er ganz gewiß keinem anderen Menschen angeboten hätte. Es wurde ihm aber bedeutet, daß Ziegen keine passenden Geburtstagsgeschenke seien.
    Grad an dem Tage, als sich dieses ›Herzle‹ eingestellt hatte, war bei Herrn Frömmelt etwas Aehnliches passiert. Es kam für ihn ein Töchterlein, welches eine gar bedeutende Stimme hören ließ und das große ›Etablissement‹ in Alarm versetzte. Eine Woche später gab es zwei Kindtaufen, eine große und eine kleine. Der Schreihals bekam den Namen Rosalie. Welcher Name dem anderen Kinde gegeben wurde, das ist vollständig nebensächlich. Die Mutter hatte es ihr ›Herzle‹ genannt, und was eine Mutter sagt, das gilt fürs ganze Leben.
    Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der alte, kleine Musterwirt sich dem Anton als Pate für sein Herzle angeboten hatte. Er glaubte, ihm damit eine große Ehre zu erweisen. Der Anton aber hatte das nicht eingesehen, sondern gesagt:
    »Wenn du Pate stehen willst, so tue es bei deinem Enkel, der dir doch näher liegt, als mein Herzle. Ehe ich dich mit zum Taufstein nehme, müßte ich erst wissen, was es mit dem Gelde für eine Bewandtnis hat, welches ich damals unter den Steinen gefunden habe. Von Pluto und Vulkan kann das nicht stammen, sonst hätte es der Herr Pfarrer mit erzählt.«
    Dieses Geld machte nämlich dem Musteranton noch immer sehr zu schaffen. Er besaß die fünfzig neuen Taler noch. Durch einen davon hatte er ein Loch gemacht, um ihn an sein Uhrband zu hängen, und dabei war ihm dieser Taler so fettig blau, so bleiern vorgekommen. Als er die anderen hierauf durchschaute und auf dem Tische klingen ließ, kamen sie ihm verdächtig vor. Sonderbarerweise fiel ihm sogleich das Geldmännle ein. Konnten Münzen, welche im Jahre 1846 geprägt worden waren, jetzt noch wie neu aussehen, zumal sie im Freien unter einem Steinhaufen gelegen hatten? Warum war der Musterwirt so bemüht gewesen, sie alle in seine Hand zu bekommen? Er war ein kleines hageres Männchen, was ganz genau zu dem Ausdrucke ›Geldmännle‹ paßte. Man sprach jetzt wieder oft von diesem geheimnisvollen Fälscher. Warum betonte der neue Kompagnon so oft und so sehr, daß er neue Taler nicht leiden möge? Warum konnte er Kassenscheine ganz und gar nicht ausstehen? Etwa weil –? Hm!
    Auch in Beziehung auf seine Arbeiten, welche er den Musterwirten lieferte, waren dem Anton Bedenken aufgestiegen. Er war nämlich bisher der einzige Musterzeichner gewesen, den der Kleine gehabt hatte. Nun gab es einen Kompagnon mit hunderttausend Talern Einlage. Man hatte das Geschäft erweitert, eine Menge neuer Verbindungen angeknüpft, und hierauf eine Menge von Bestellungen erhalten, wie man sagte. Wie kam es da, daß er noch immer der einzige Zeichner war? Er wußte, daß in kleinen, unbedeutenden Geschäften oft drei, vier oder noch mehr Zeichner sitzen und den ganzen Tag, von früh bis abends, zu tun hatten. Warum war er da allein? Bei dem gestiegenen Bedarf? Und seine ganze Arbeit konnte er in drei Stunden täglich vollauf verrichten! Wie stimmte das zusammen? Es hatte geheißen, daß auch die Musterschlägerei erweitert werde, nun aber schien sie im Gegenteil ganz eingestellt worden zu sein. Die ganze, angebliche Vergrößerung des Geschäftes bestand also höchstens in dem ausgedehnten Versand von Antons Mustern. Das aber konnte doch unmöglich so viel Geld einbringen, wie man den Leuten glauben machte.
    Von jedem neuen Webmuster, welches Anton erfand, wurden Platten angefertigt, damit es in der erforderlichen Auflage gedruckt werden könne. Dazu hatte es früher einen besonderen Arbeiter gegeben; der war aber entlassen worden. Herr Frömmelt machte das in eigener Person und ging dabei so außerordentlich geheimnisvoll zu Werke. Es ist zwar erklärlich, daß man beim Drucken neuer Muster keine fremden Menschen, wohl gar Konkurrenten an sich kommen läßt, aber daß selbst ihm, dem Anton, dem Erfinder dieser Zeichnungen, der Eintritt in die Stube verboten war, in welcher die neue Druckmaschine stand, dazu gab es doch keinen haltbaren Grund. Oder wurden vielleicht nicht nur Muster dort gedruckt, sondern auch noch andere Sachen, von

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