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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fordern. Sie sagten, daß ich wenigstens Lehrer werden müsse; für etwas Höheres reiche der Weberlohn nicht aus. Die Eltern stimmten ein, obgleich sie wußten, daß sie Tag und Nacht arbeiten und dabei hungern müßten, um zusammenzubringen, was auf dem Seminar für mich nötig war. Ich bestand das Aufnahmeexamen. Da starb die Mutter. Im nächsten Jahre folgte ihr der Vater nach, weil er sich bei karger Nahrung überarbeitet hatte. Nun war es sicher, daß ich das Seminar wieder verlassen und Weber werden mußte. Mir graute. Der Herr Direktor gab sich zwar Mühe, eine Unterstützung für mich zu erwirken, doch vergeblich. Da plötzlich kam der Postbote zu ihm und brachte Geld. Auf dem Briefe stand geschrieben, ›Monatsbeitrag für den Seminaristen Hermann Bernstein‹. Ich blieb also. Das Geld kam regelmäßig. Es ist nicht ein einziges Mal ausgeblieben, bis ich meine erste Lehrerstelle bekam. Aber den Absender habe ich trotz aller Mühe niemals entdecken können.«
    »So sehen Sie hier dieses Päckchen an!« sagte der Wirt, indem er es ihm gab.
    Der Lehrer nahm es in die Hand, öffnete es und schaute nach.
    »Die Postquittungen für die Geldbriefe, welche der Direktor für mich erhalten hat,« rief er aus.
    Seine Stimme klang gar nicht froh. Er legte das Paket auf den Tisch, ging an das offene Fenster und schaute hinaus.
    »Nun?« fragte der Wirt. »Wo bleibt die Dankbarkeit?«
    »Die Dankbarkeit?« antwortete Bernstein, indem er sich nach ihm umdrehte. »Sie haben sich vorhin ›fast Millionär‹ genannt. Was waren da für Sie die wenigen hundert Taler, welche ich Ihnen noch in diesem Jahre mit Zinsen zurückbezahlen werde! Sie haben mich Ihr ›Geschöpf‹ genannt. Mein Gläubiger sind Sie höchstens, mein Schöpfer aber nicht! Meinem Schöpfer habe ich zu danken, meinem Gläubiger aber nicht, denn er will mehr von mir, als er mir jemals gegeben hat und geben konnte!«
    »Gut, also Gläubiger! Sie können mich sofort bezahlen, sofort, mitsamt den Zinsen.«
    »Wieso?«
    »Sie haben hier dieses kleine Buch geschrieben: ›Die Notlage der Handweberei im Erzgebirge. Eine volkswirtschaftliche Studie.‹ Der Verfasser ist nicht genannt, aber ich weiß, daß Sie es sind. Der Ertrag des Buches soll Ihnen bleiben für alle Zeit. Aber wenn Sie damit einverstanden sind, daß mein Name als der des Verfassers auf den Titel kommt, so quittiere ich Ihnen augenblicklich Ihre ganze Schuld.«
    »Wie schlau, verehrtester Herr Frömmelt – – wie so schlau!« lächelte der Lehrer. »Sie wollen da mit meinem Kalbe ackern und meine Saat in Ihre Furchen legen! Sie wissen, daß unsere Ausstellung das erste, praktische Ergebnis dieses meines Buches ist. Sie wissen ebenso, welchen Eindruck gerade dieses Buch im Ministerium gemacht hat. Man soll Sie für die eigentliche Seele der Ausstellung halten, während Sie sich doch nur für sie interessieren, weil sie die Lage der Weber verbessern und infolgedessen die Seiten Ihrer Schuldbücher vermehren soll. Dies ist nämlich Ihre Absicht, Ihre einzige! Sie sind ein materieller, höchst materieller Herr, so materiell, daß Sie von Geist fast keine Spur besitzen. Und doch möchten Sie auch gern für eine Intelligenz gehalten werden, ja, wohl für die bedeutendste, die es hier in der Gegend gibt. Sie wollen mit dieser Intelligenz während unserer Ausstellung prunken, und damit dies geschehen könne, schlagen Sie mir den Schwindel vor, zu dem ich Ihnen die Hand bieten soll. Sie haben sich verrechnet. Die Dankbarkeit, welche Sie von mir erwarten, ist die Dankbarkeit der Halunken. Ich aber bin ein ehrlicher Mann und mache folglich nicht mit!«
    Der Wirt sah ihn an, als ob er gar nicht glauben könne, was er hörte.
    »Das – das ist Ihr Ernst – Ihr wirklicher Ernst?« fragte er, indem er beinahe stotterte. »Sie weisen also dieses Uebereinkommen ab und dazu auch die Hand meiner Tochter?«
    »Ja.«
    »Und meine Rache fürchten Sie nicht? Und was wird aus Ihrer Schuld?«
    »Hätte ich von ihr gewußt, so wäre sie längst bezahlt. Ich habe aber noch ein zweites Buch geschrieben, dessen Titel lautet: ›Die Arbeiterarmut und das unlautere Kapital‹. Nächstens wird mir das Honorar ausgezahlt, und davon bringe ich Ihnen so viel, wie Sie zu bekommen haben. Als ehrlicher Mann sage ich Ihnen, daß dieses Buch besonders gegen Sie und Ihr Geschäftsgebaren gerichtet ist, und es wäre mir also schon aus diesem Grunde unmöglich, Ihr Schwiegersohn zu werden.«
    »Also haben Sie gar die Absicht,

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