Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
Es ist besser, Liebe empfunden
Und Verlust erlitten zu haben,
Als niemals geliebt zu haben.
A. L. Tennyson
Einleitung
Liebe Leserinnen und Leser,
Wenn Sie dieses Buch in die Hand nehmen, sind Sie wahrscheinlich von Trennung oder Scheidung betroffen, oder Sie sind noch unsicher, ob Sie sich trennen wollen. Ist die Trennungsentscheidung bereits gefallen, hat einer von Ihnen beiden den Schritt in die Trennung initiiert und der andere wurde verlassen. Vielleicht haben Sie sich aber auch einvernehmlich entschieden, Ihre Beziehung zu beenden. Das passiert eher selten. Möglicherweise haben Sie die ersten Hürden der Trennung bereits hinter sich gebracht und suchen professionellen Rat, wie es für Sie und Ihre Kinder gut weitergehen kann. Sie werden sich fragen: »Werden wir es schaffen, uns in gegenseitiger Achtung zu trennen, oder wird es für uns und unsere Kinder einen Trennungskrieg geben?« Es kann aber auch sein, dass Sie nicht persönlich, sondern eines Ihrer erwachsenen Kinder von einer Trennung betroffen ist, und Sie sich ein Bild machen möchten, was Trennung und Scheidung bedeuten – auch im Hinblick Ihrer Enkelkinder.
Wie Sie wissen, sind Sie mit Ihrer Trennungssituation nicht allein. Scheidung gilt statistisch gesehen als ein immer wahrscheinlicher werdendes biografisches Ereignis (life-event). So wird je nach Region jede zweite bis dritte Ehe in Deutschland geschieden, die Trennungen von Unverheirateten nicht mitgerechnet. »Immer mehr Menschen erleben Liebe in Serie.« (Sieder 2010)
Die große Mehrzahl der Trennungen bei verheirateten Paaren wird derzeit von Frauen eingeleitet. Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden waren im Jahr 2010 die Ehepaare bei der Scheidung durchschnittlich vierzehn Jahre lang verheiratet. In 52,9 % der Fällehaben die Frauen die Scheidung eingereicht, 38,9 % der Anträge kamen von den Männern, der Rest fiel auf gemeinsam eingereichte Scheidungen. Knapp die Hälfte aller geschiedenen Ehepaare hatte Kinder unter achtzehn Jahren (Statistisches Bundesamt 2011). Auch ältere Ehepaare scheuen heutzutage nicht mehr davor zurück, ihre Ehe zu beenden; wohl auch, weil ein gewisser Wohlstand Trennungen ermöglicht. Obwohl ein alltägliches Geschehen, löst die Ankündigung einer Scheidung immer noch hohe Betroffenheit aus, besonders dann, wenn minderjährige Kinder im ›Spiel‹ sind.
Auch für Sie wird Ihre Trennungssituation keine leichte sein. Wahrscheinlich hat Ihre Beziehung mit Verliebtheit begonnen, sich zu einer Liebe weiterentwickelt und ist dennoch zu Ende gegangen. Egal, ob die Trennung von Ihnen oder Ihrem Partner ausgegangen ist, es trennt sich, was Sie beide miteinander begonnen haben. So ist die Trennung ein gemeinsamer Prozess, auch wenn Sie ihn als getrennte Partner unterschiedlich erleben und ohne einander bewältigen müssen. Derjenige Partner, der die Trennung initiiert hat, ist innerlich oft schon gelöster und denkt zukunftsorientiert. Für denjenigen, der die Trennung nicht oder noch nicht gewollt hat, bricht zunächst eine Welt zusammen. Besonders am Anfang denkt und fühlt er rückwärts gewandt, ganz im Sinne von Marcel Proust, dass die wahren Paradiese die sind, die man verloren hat.
Für die Trennungsbetroffenen gilt: So wie sie sich einst ineinander verliebt haben, müssen sie sich jetzt »entlieben «. Entgegen landläufiger Meinung leiden bei einer Trennung beide Partner, der Verlassene oder »unfreiwillig Getrennte« , aber eben auch derjenige, der die Trennung initiiert hat. Es gibt Verluste zu betrauern, und es wird sich viel verändern, bis jeder seinen neuen Lebensentwurf gefunden hat. Die Zeit heilt Wunden, aber nicht alle. Sie fordert uns heraus, die Trennungskrise aktiv zu überwinden. Sie gibt uns Gelegenheit, das Verlorene zu betrauern und letztendlich zu wachsen.
Die Monate bis zur Trennungsentscheidung und danach sind von wechselnden Gefühlen und vielfältigen Anforderungen geprägt. Sind Kinder betroffen, bekommt die Trennung eine komplexere Dimension.Kinder brauchen beide Eltern und sollten sich mit der Trennung der Eltern nicht von einem Elternteil »entlieben« müssen. Die Scheidungsforschung in den USA und in Deutschland hat gezeigt, dass die Trennung der Eltern nicht zwangsläufig ein lebenslanges Trauma für die Kinder sein muss. Auch sogenannte »Scheidungskinder« wachsen zu stabilen, leistungsstarken Erwachsenen heran, wenn bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen gegeben sind. Sie brauchen vor allem Zuwendung,
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