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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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teilzunehmen! Die Mutter war sofort einverstanden, und auch das Karlinchen tat einen Freudensprung.
    »Habe ich es nicht gesagt!« dachte sie. »Nur eine Festjungfrau hier auf dem Bergle, das war mir viel zu wenig. Ein Dutzend muß es sein. Ich wußte es doch gleich!«
    Selbstverständlich dauerte dieser Nachmittagskaffee bis in die blaue Dämmerung hinein. Platz war genug vorhanden, denn man hatte die nötigen Sitzgelegenheiten aus dem Gasthofe holen lassen. Eben hatte die Mutter die letzte Kanne aufgegossen, die aber nun auch wirklich die letzte sein sollte, da kamen noch drei durstige Leute über das Brückle durch das Gärtle herauf, nämlich der Herr Pastor, der Herr Lehrer und der Herr Fremde. Sie fragten, ob es Herren erlaubt sei, sich unter Festjungfrauen zu mischen, worauf das Herzle antwortete, sie habe schon beim Festzuge bewiesen, daß dies nicht verboten sei. Die drei Neuangekommenen setzten sich also zu ihnen.
    Wie es schien, hatten sie großen Wohlgefallen aneinander gefunden. Wenigstens zeigte sich der Fremde in alle auf das Bergle bezüglichen Verhältnisse so tief eingeweiht, als ob er schon seit Jahren hier ein täglicher Gast gewesen sei.
    »Wer er nur sein mag?« flüsterte das Herzle dem Herrn Lehrer zu.
    Dieser neigte sich ganz zu ihr herüber und antwortete leise, leise:
    »Er hat es uns doch noch mitgeteilt. Sag’ es aber ja nicht weiter, denn er will partout inkognito bleiben. Es ist, denke dir – – – der Herr Minister, Exzellenz!«
    Da sprang das Herzle auf, sah den Entlarvten ganz erschrocken an und rief mit lauter Stimme:
    »Der Herr Minister, Exzellenz! Mutter, Mutter, der Herr Minister sitzt da neben dir – – – Exzellenz!«
    Sofort fuhren auch die anderen elf Festjungfrauen mitsamt der Frau Pfarrerin in die Höhe.
    »Exzellenz – – –! Der Herr Minister – – –! Exzellenz – – –! Minister – – –!«
    So schallte es um alle drei Tische, daß fast die Tassen wackelten. Wer aber am allerhöchsten auffuhr, das war das Karlinchen.
    »Der Herr Minister – – –! Exzellenz!« jubelte es in ihr. »Mir also ebenbürtig! Wenn auch ohne Dangtell de Brüsell! Jetzt weiß man endlich, endlich, was hier die Glocke schlägt!«
    Der hohe Herr lachte am ganzen Gesicht und bat, doch ruhig sitzen zu bleiben. Hier auf dem Bergle sei er weder Exzellenz noch Minister, sondern weiter nichts als nur die dreizehnte Festjungfrau. Der Festzug habe das bis zur Evidenz bewiesen! Die dreizehnte pflege zwar nie gern gesehen zu sein, doch bitte er, das Karlinchen als die vierzehnte zu betrachten. Dann sei ja alles gut!
    Es muß gesagt werden, daß die Mutter nun doch noch einige Male neu aufzugießen hatte – – – aber um wieviel Uhr zum letzten Male, das hat man zu verschweigen, ganz selbstverständlich aus Rücksicht auf – – – die Exzellenz.
    Als dann der Herr Lehrer noch eine kurze Zeit mit der Mutter und dem Herzle allein am Tische saß, fiel der ersteren das Paketchen ein, welches der Musterwirt für ihn geschickt hatte. Sie holte und gab es ihm. Er öffnete es. Es enthielt die Postquittungen. Aber es lag ein Zettel dabei, auf welchem folgendes geschrieben stand:
     
    »Diese Quittungen hat die Rosalia dem Herzle heimlich aus dem offenen Kasten genommen. Nun wissen Sie, Herr Lehrer, wessen Geschöpf Sie sind, das Geschöpf der Liebe, der Sie mit Stolz und gutem Gewissen danken können. Gott segne diese Liebe!« – – –

Schamah
Reiseerzählung aus dem Gelobten Lande von Karl May
I.
    Jeder Besucher meines Hauses sieht sich, sobald er den Flur desselben betritt, mitten unter fremdartigen Reiseerinnerungen, von denen ihm zunächst ein arabischer Sattel auffällt, den ich, wie man sich auszudrücken pflegt, als den eigentlichen »intellektuellen Urheber« der vorliegenden Erzählung zu bezeichnen habe. Er ist aus rotem, orientalischem Sammet gefertigt und mit reichen Goldstickereien verziert, ein sogenannter »Paschasattel« mit bequemen Bügelschuhen und jener fürchterlichen Art von Kandare, mit der man den Widerstand selbst des stärksten Pferdes bezwingt.
    Zu diesem Sattel kam ich durch meinen Freund, den reichen, judarabischen Händler Mustafa Bustani in Jerusalem, dessen Geschäft im Suk el Bizâr liegt, rechter Hand, wenn man nach dem heutigen Haram esch Scherif geht, wo früher der Tempel des Salomo gestanden hat. Unter Judaraber sind diejenigen Araber des heiligen Landes zu verstehen, welche im Zusammenleben mit den Juden den überlieferten Haß gegen die Hebräer

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