Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich blogg dich weg!

Ich blogg dich weg!

Titel: Ich blogg dich weg! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Hammer
Vom Netzwerk:
JULIE
    Ich hielt das lange Streichholz an die erste der Gartenfackeln. Die Flamme leckte am Docht, wuchs blau daran empor und änderte ihre Farbe in strahlendes Gelb und Rot.
    Jasmina, meine beste Freundin, riss ein weiteres Streichholz an und hielt es an die nächste Fackel. Ich sah zu, wie rund um den dicken Baumwollfaden das Wachs schmolz und die zweite Flamme emporwuchs.
    „Jetzt noch die dahinten beim Zaun!“, sagte ich und machte einen großen Schritt über den duftenden Salbeibusch.
    Jasmina reichte mir ein brennendes Streichholz und ratschte das nächste über die Schachtel.
    „Wow“, machte sie, als alle Fackeln brannten. Unser Garten sah fantastisch aus.
    „Wie ein Zaubergarten!“, sagte ich zu ihr. Genau so hatte ich es mir vorgestellt.
    „Echt geil“, sagte sie und kicherte grundlos.
    Jasmina war heute Abend ziemlich aufgekratzt. Vielleicht hing es damit zusammen, dass Ben hier war. Endlich! Und Ben war nicht bloß einfach hier, Jasmina hatte ihn mitgebracht, sie hing an ihm, ihre Blicke folgten ihm, und was auch immer er sagte, sie grinste und lachte ihm zu. Ben lachte zurück.
    Auf der Terrasse saßen außer Ben noch rund zwanzig andere Gäste unserer Sommerparty. Wir hörten die Gesprächsfetzen und das Gläserklirren, das helle Auflachen eines Mädchens, die dunkle Stimme meines älteren Bruders Noah, dann die ersten Gitarrenakkorde, die Sebastian anschlug. Ein paar Gäste klatschten, als sie den Song erkannten.
    „ Sweet Home Alabama “, rief Ela begeistert und sang mit.
    Ela war nicht gerade meine Freundin, aber an einem Sommerabend wie diesem war mir das egal.
    Grillen zirpten im Gras. Die Fackeln beleuchteten flackernd die niedrigen Büsche und Stauden. Uns umhüllte die Sommernacht wie ein Mantel aus dunkelblauem Samt.
    Wir gingen über die Trittsteine zur Terrasse hinauf, setzten uns nebeneinander und nahmen jeweils einen Schluck aus unseren Gläsern.
    Alle sangen den Refrain, dann spielte Sebastian ein kleines Solo, schrammelte zum Abschluss schnell über die Saiten und lachte.
    Ela warf den Kopf in den Nacken und jauchzte laut auf, so als könne sie ihrer Begeisterung über die Gitarrenkünste ihres neuen Freundes sonst keine Luft machen.
    Jasmina und ich wechselten einen Blick. Wir brauchten nichts zu sagen. Ela, die ging gar nicht. Kurz nachdem Jasmina mit Ben zusammengekommen war, hatte sich Ela ihren Zwillingsbruder Sebastian geschnappt. Zugeschnappt wie eine Falle, dachte ich immer, wenn ich die beiden zusammen sah.
    „Was jetzt?“, fragte Sebastian. „Was soll ich spielen?“
    Alle riefen unterschiedliche Titel durcheinander, aber Sebastian lehnte jeden Song ab.
    Dann schlug mein Bruder Noah True Colours von Cindy Lauper vor, eine uralte Nummer und nicht gerade zum Mitsingen geeignet.
    „Das ist doch voll Neunziger!“, meinte Ela.
    „Achtziger“, berichtigte Sandra, meine Mutter. Sie war mit einem Tablett voller kleiner leckerer Häppchen auf die Terrasse getreten und lächelte Ela halb freundlich, halb belehrend an. „Ist eines meiner Lieblingslieder.“
    „Dann muss Julie singen!“, bestimmte Sebastian.
    Er zupfte die ersten Töne an, wechselte dann zu einer langsamen Akkordfolge, die die warme Nacht erfüllte.
    Ich summte mit, dann nickte Sebastian mir zu. Mein Einsatz und die ersten Worte kamen ganz ruhig und wie selbstverständlich aus meinem Mund. Singen ist mein Ding, schon immer. Jahrelang hatte ich Gesangsunterricht bei Frau Oprea-Kahn, einer strengen, breiten Rumänin mit hartem Akzent, die mich mit Atemstützübungen und Tonleitern traktiert hatte. Nicht zu vergessen das Theoriewissen, das sie zu Beginn der Stunde stets abfragte. Jahrelang hatte ich täglich mindestens zwei Stunden geübt, meistens mehr, damit es jetzt so selbstverständlich klang. Aber Singen war immer noch das Schönste auf der Welt für mich, trotz Oprea-Kahn und der ganzen langweiligen Tonübungen.
    Sebastian grinste mir zu. Ich öffnete meine Kehle weiter und legte besonders viel Gefühl in den Refrain. Ich holte kurz Atem und sang dann mit weniger Druck weiter. Ich hatte das Lied schon tausendmal gesungen und ich hoffte zu wissen, wie ich die Zuhörer berühren konnte.
    Sebastian schlug die Saiten noch einmal an und ließ den letzten Akkord verklingen.
    Danach war es für einen Moment fast still. Nur die Grillen im Gras waren zu hören.
    „Wow!“, machte einer von Noahs Freunden.
    „Ich hab selbst Gänsehaut!“, gab Sebastian zu. Ela streichelte über seinen Arm, so als

Weitere Kostenlose Bücher