Abendfrieden
langsam voran. Er führte die Bibliothek vor mit ihren Mahagoni-Regalen und Lederfauteuils, das schilf-aprikosenfarbene Restaurant, das Gesellschaftszimmer, wo man mit Auswärts-Gästen sitzen konnte, das Schwimmbad und das Theater ( »170 Plätze, wunderbare Gastspiele, auch Wilhelm Wieben war schon hier«). »Da hinten geht’s zur Pflegestation«, warf Stella Bonnier ein. »Aber das können wir nicht besichtigen.«
Gerda Danzik wehrte ab. »Bloß nicht so was.«
Das Angebot, ihre Wohnung anzuschauen, blieb aus. Aber Gerda Danzik hätte es auch nicht angenommen. Ihre Erschöpfung war größer als ihre Neugier geworden. So verabschiedete man sich, die Bonniers kamen noch mit bis an den gläsernen Eingang und winkten hinterher. Eher ihrer Tochter als den anderen.
Werner Danziks Mutter wand sich hinten ins Auto und rückte sich aufatmend zurecht. »Na, Frau Danzik, hat Ihnen die Parkresidenz gefallen?«, fragte Laura. »Ja, ist ’ne schöne Anlage. Aber teurer Kram. Nichts für mich.«
Ihr Sohn sagte nichts mehr. Erst als sie seine Mutter in ihrer Wohnung abgesetzt hatten, fand er seine Worte wieder.
21
Wattige, dicke Wolken schoben sich über einen sehr blauen Himmel, die Sonne strahlte warm in das Bürozimmer. Danzik zog sein Jackett aus. Schönes Wetter, dachte er. Ausflugswetter. Jetzt würde er gern mit Laura … aber er hatte einen neuen Fall an der Backe. Mordfall Amalie Mewes. »Das ist ja ’n Ding«, sagte Torsten Tügel. »Also doppelt vergiftet. Erst durch Tabletten, dann durch Rauchgas. Aber wer sollte ein Interesse haben, so eine alte Frau umzubringen?«
»Ja, wer? Was vermuten denn deine kleinen grauen Zellen?«
»Geld. Der schnöde Mammon. Um was soll’s sonst gehen, wenn Grufties unnatürlich sterben? Jemand erwartet ein Erbe, aber es dauert ihm zu lang …«
»Nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Der Sohn Norbert Mewes hat einen soliden Posten als Geophysiker, Wohnrecht im Haus besitzt er ohnehin, und nach einem Geld verstreuenden Lebemann sieht er nicht gerade aus.«
»Vielleicht führt er ein Doppelleben. Muss jemanden aushalten oder für uneheliche Kinder aufkommen.«
»Nichtehelich heißt das. Aber lassen wir das Rätselraten. Jetzt leuchten wir mal richtig in die Familienverhältnisse.« Danzik sprang auf und warf sich sein Jackett über. »Auf geht’s. Parkallee Nummer 24.«
Sie nahmen einen Dienstwagen und fuhren durch den Stadtpark über die Maria-Louisen-Straße ins Harvestehuder Alleenviertel. Danzik sah zu dem gelben Klinkerbau hoch. Nur noch ein paar Rußspuren. Es hätte schlimmer kommen können. Aber die Einrichtung war hin. Er drückte auf die Klingeltaste. »Ja?« Vor ihnen hatte sich eine stämmige, kurzbeinige Frau aufgebaut. Grauer Jogging-Anzug, eine fahle Kurzhaarfrisur, die auf eine praktische Art Fraulichkeit signalisierte. Man dachte an Dauerwelle, ohne dass es eine war. »Kriminalpolizei. Danzik. Mein Kollege, Herr Tügel. Frau Regine Mewes?«
»Ja.« Die braunen Knopf-Augen blickten ebenso hart wie wachsam. Regine Mewes wies stumm zur Diele. Dann ging sie an den Beamten vorbei ins Wohnzimmer. »Meine Tante, Frau Bäumer.«
Sophie Bäumer trug einen blauen Schürzenkittel und hielt ein Putztuch an den Körper. Verlegen sah sie den Kommissaren entgegen. »Wir kennen uns ja schon«, sagte Danzik mit warmem Timbre und reichte ihr die Hand. Tügel tat das Gleiche.
Die Züge der alten Dame entspannten sich. »Wir sind hier nämlich am Saubermachen.«
»Ja, natürlich. Nach diesem schrecklichen Desaster werden Sie reichlich zu tun haben. Wir möchten Ihnen beiden unser Beileid aussprechen.«
»Mein Beileid«, sagte Tügel.
Beide Kommissare hatten sich zu Regine Mewes gewandt. »Danke.« Regine Mewes blieb wie eingepuppt in ihrer Steh-Position. »Nehmen Sie doch Platz.« Sophie Bäumer wies auf zwei rosabraun geblümte Polstersessel und setzte sich auf ein ebenso gemustertes Sofa. »Sie müssen entschuldigen, das ist hier ein furchtbares Chaos, aber wir warten noch auf Teile der neuen Einrichtung.«
»Aber ich bitte Sie. Wenn man bedenkt, wie es hier vor kurzem ausgesehen hat, haben Sie doch schon viel geschafft.«
Regine Mewes zog die Brauen hoch. Endlich ließ sie sich auf dem Sofa neben ihrer Tante nieder. Sie sah die Beamten gerade an. »Sie sind doch nicht gekommen, um uns Ihr Beileid auszusprechen.«
»Richtig. Der Tod Ihrer Schwiegermutter wird die Familie schwer getroffen haben. Aber nun müssen wir Ihnen leider noch etwas Anderes mitteilen.« Danzik
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