Abendfrieden
an. Sie sieht noch immer gut aus, dachte Danzik. Hat aber die volle Weibchenmasche drauf. Den Mann einwickeln und dabei die Hosen an haben. Gut, dass Laura anders war. Aufrichtig. Auf natürliche Art emanzipiert. Irgendwelche Manipulationen hatte sie nicht nötig. »Ja, wir haben die richtige Entscheidung getroffen«, bestätigte Carl Bonnier. »Wir hatten vorher ein Einzelhaus, aber das haben wir verkauft. Lieber rechtzeitig als zu spät. Das kann ja über Nacht gehen, dass man plötzlich nicht mehr so kann, wie man will. Die Gartenarbeit fiel uns schon zunehmend schwerer. Irgendwann hätten uns sicher auch die Treppen Mühe gemacht.«
»Ich würde nie aus meiner Wohnung rausgehen«, sagte Gerda Danzik beinahe trotzig. »Und wozu gibt es Treppenlifte?«
Inzwischen hatte eine dicke junge Frau in bunter Seidenweste ihre Bestellungen aufgenommen. »Und wenn Ihnen was passiert?« Stella Bonnier sah ihr verhärmtes Gegenüber abschätzend an. »Hier sind immer Menschen, man würde es sofort bemerken. Aber so allein in der Wohnung, stellen Sie sich vor, Sie stürzen, niemand kommt …«
»Und wenn schon. Dann lieg ich da eben. Wenn ich tot bin, merk ich’s doch nicht mehr.«
In dem Moment wurden die Sahnetorten serviert, und Gerda Danzik stopfte sich begierig ein großes Stück davon in den Mund. »Außerdem wird man in solchen Seniorenheimen doch nur abgezockt«, fuhr sie kauend fort. »Ist doch bekannt, dass man hier für jeden Handschlag extra bezahlen muss.«
Die Bonniers schwiegen. Bevor es peinlich werden konnte, schaltete sich Laura ein. »Für den – zugegeben – hohen Preis wird aber sehr viel geboten. Im Restaurant kann man unter zwei Menüs wählen, es gibt eine Salatbar, Reinigungsdienst, Fensterputzer, Schwimmbad, Bibliothek, eigenes Theater –«
»Ich geh nie ins Theater.« Gerda Danzik nahm schlürfend einen Schluck Kaffee. »Muss man natürlich auch nicht«, sagte Carl Bonnier versöhnlich. »Aber das Schöne ist, dass man hier so viele Kontaktmöglichkeiten hat. Wir haben immer Gesprächspartner.«
»Brauch ich nicht. Mir genügt mein Sohn.«
»Der sich aber, schon von Berufs wegen, nur selten um dich kümmern kann.« Werner Danziks Stimme war etwas scharf geworden.
»Wenn ich es allein nicht aushalte, kann ich ja jederzeit mit meinem Sohn zusammenziehen.« Gerda Danzik blickte provozierend in die Runde.
Die Bonniers schwiegen wieder. Laura sah krampfhaft auf ihren Teller, an Danziks Hals stieg Röte auf. »Zum Glück brauchen wir über so etwas nicht nachzudenken, du bist ja noch wunderbar in Form und vollkommen gesund.«
»Na, so gesund nun auch wieder nicht.«
Sie würde doch jetzt nicht über Krankheiten reden, dachte Danzik alarmiert, was könnte man jetzt bloß auftischen, um die Konversation in Gang zu halten? Da kam ihm Stella Bonnier zu Hilfe. »Wir wollen doch lieber ans Leben denken. Wissen Sie, Frau Danzik, was hier auch so angenehm ist? Dass gleich gegenüber das Alstertal Einkaufszentrum liegt. – Sie haben übrigens ein zauberhaftes Kostüm an.«
»Danke.« Trockener hätte man das Wort nicht sagen können.
»Ja, das ist es eben. Im Grünen wohnen, und ein paar hundert Meter weiter erwarten einen die elegantesten Modeboutiquen.«
Jetzt sagt sie gleich, sie geht nie in Boutiquen. Danzik rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Stimmt«, sagte Laura. »Das ist ein Riesenplus hier. Davon profitiere ich auch. Es macht Spaß, mit Mama da drüben einen Modebummel zu machen.«
Werner Danzik schaute abwechselnd Laura und deren Mutter an. Ein Freundinnen-Verhältnis, wenn auch nicht immer ohne Spannungen. Laura hatte die Schönheit ihrer Mutter geerbt, die weit auseinander stehenden Augen, bei ihr ein reines tiefes Blau, während die Augen der Mutter, nicht ganz so attraktiv, blaubraun gesprenkelt waren. Beide Frauen strahlten urbanes Flair aus, liebten und suchten es … Was nützte seiner Mutter das Einkaufszentrum? Und die ganze schicke Senioren-Anlage? Nie würde sie in so was einziehen. Danzik sackte innerlich zusammen.
Carl Bonnier neigte sich ein wenig vor. »Liebe Frau Danzik, jeder hat seine eigenen Pläne fürs Alter. Dürfen wir Sie dennoch ein wenig durchs Haus führen?«
Sie wissen doch, dass meine Mutter kein Interesse hat, dachte Danzik. Ist es Besitzerstolz, gibt es keinen Gesprächsstoff mehr, oder wollen sich die alten Herrschaften nur ein bisschen bewegen?
»Ja, das guck ich mir mal an.«
Alle erhoben sich. Carl Bonnier ging in seiner eingeknickten Haltung
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