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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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Ja, dort hinter Ihnen. Das sind
keine Fabelwesen, Herr Willis, auch wenn sie so aussehen mit ihren Brustpanzern
und Schläuchen und viel zu großen Füßen, das sind Polizeitaucher. Und diese
langen Stöcke sind zweifellos Harpunen. Die sind nicht für eine Übung hier, für
keinen Lehrgang, die sind wegen uns hier. Die kommen uns holen. »Schauen Sie
schnell, Herr Willis«, rufe ich, »die steigen ins Wasser.«
    Und als Sie sich erschrocken umdrehen, greife ich nach Ihren Beinen
und ziehe sie unter Ihnen weg. Sie straucheln, suchen vergeblich irgendwo Halt,
Sie knallen auf die Bootsplanken. Mit einem Satz sitze ich auf Ihnen, das Ruder
an Ihren Hals gepresst. Ich lache höhnisch, ohne es zu wollen. »Sagen Sie, dass
Sie nicht nach Hause wollen!« Sie schütteln den Kopf, soweit das eben geht, und
schauen mich trotzig an. »Sagen Sie, dass Sie sich retten lassen!«, schreie ich
und Sie lächeln sogar, aber es ist Ihr bedrohliches Lächeln, das kenne ich, das
kenne ich viel zu gut. »Nie im Leben«, sagen Sie, und ich drücke das Paddel
tiefer in Ihren Hals. Sie würgen, Ihre Augen weiten sich. »Ich bin doch Ihr
Freund«, sage ich. »Akzeptieren Sie das endlich.« Ihr Gesicht läuft rot an, Sie
strampeln mit den Beinen. »Ich bin Ihr Freund, verdammt noch mal«, sage ich.
»Ich bin Ihr bester Freund.« Ich sage es immer wieder und immer leiser, ich
sage es noch, als ich das Paddel längst von Ihrem Hals genommen habe, als ich wieder
neben Ihnen liege, als Sie nach Luft schnappen und alles auf einmal sehr schwer
ist. Es fängt an zu regnen, als ob wir uns darum scheren würden.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Mein ehemaliger Bankberater war seiner eigenen Aussage nach
nur drei Mal richtig verliebt gewesen. Und nie habe er das rechtzeitig gemerkt.
»Neuerdings passe ich besser auf«, sagte er und schaute konzentriert auf
den Wasserspender. Ich schaute mit.

Sehr geehrter Herr Willis,
    ich verstehe, Sie wollen meine Freundschaft nicht. Ganz wie
Sie möchten. Das war nur ein Angebot. Angebote kann man ausschlagen, das muss
ich Ihnen nicht erklären. Wir können das Ganze auch sachlich regeln, ohne jede
Gefühlsduselei. Das ist mir sogar am liebsten.
    Also, Herr Willis, hören wir auf, darüber zu diskutieren, wer wem
was schuldet und wer wessen bester Freund ist. Betrachten wir nüchtern die
Situation. Wir sitzen beide im selben Boot, ganz unmetaphorisch. Und wir wollen
beide nicht hier sitzen. Der Unterschied zwischen uns ist allerdings, dass Sie
gestern eine Bank überfallen haben und ich nicht. Und wenn Sie jetzt behaupten,
das seien nicht Sie gewesen, sondern mein Bankberater, dann greifen Sie bitte
kurz einmal in Ihre Tasche und überlegen Sie, wie Sie der Polizei die
sechstausendeinhundert Euro erklären wollen. Ich habe mit all dem wenig zu tun.
Ich bin nur zufällig hier. Ich bin in die ganze Geschichte unglücklich mit
hineingeraten. Wenn hier also einer nach Hause darf, bin ich das. Aber ich gehe
nicht nach Hause. Ich bleibe hier bei Ihnen. Ich stehe das gemeinsam mit Ihnen
durch. Das ist mein Entgegenkommen an Sie.
    Also kommen Sie mir bitte auch entgegen, und finden Sie mit
mir das glückliche Ende. Geben Sie mir achtundvierzig Stunden, nur läppische
achtundvierzig Stunden. Dann bringe ich Sie wohlbehalten nach Hause. Bis vor
die Haustür. Sind Sie damit einverstanden? Haben wir eine Abmachung, Herr
Willis?
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    PS: Mein Verlag bot übrigens an, Ihr Honorar auf € 750 zu
erhöhen, wenn Sie auf dem Umschlag als Coautor genannt werden dürfen. Ich habe
das Angebot abgelehnt. Nicht, dass ich Ihnen das Geld nicht gönne, aber bislang
haben Sie noch rein gar nichts zum Roman beigetragen. Wenn sich das ändern
sollte, können wir noch einmal darüber reden. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich
flexibel.
    Mein ehemaliger Bankberater war angeblich nie müde. Immer
wenn er anfange, müde zu werden, denke er darüber nach, was für ein unglaublich
faszinierendes Gefühl die Müdigkeit doch sei, wie rätselhaft, wie unerforscht,
und dann sei er so aufgeregt über seine Müdigkeit, dass sie sofort verschwinde.
Erst Stunden später komme sie zurück, sagte er traurig, aber da schlafe
er immer schon. Ich wollte ihn gern trösten, aber ich war mir auf einmal nicht
mehr sicher, wogegen Trost genau half.

Sehr geehrter Herr Willis,
    also gut: vierundzwanzig Stunden. Drunter kann ich nicht gehen.
Beim besten Willen nicht. Das werden Sie verstehen. Sie sind doch ein
verständiger Mann.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Mein

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