Abgetaucht
Und irgendwie mussten die fünf ja wieder zusammenkommen. Das wünschte sich Ilka zumindest. Vielleicht bot dieseskleine Showschwimmen dafür ja eine gute Gelegenheit.
Zurück in der Umkleide schloss sie in Gedanken vertieft ihre Tasche, schulterte sie und betrat die Halle. Sie würde heute
am Beckenrand bleiben. Denn heute standen ihre zwei Schützlinge im Mittelpunkt. Ilka begrüßte Thuys Vater besonders herzlich.
Ein schüchternes, verlegenes »Hallo« blieb das einzige Wort, das sie an Linh und Michael richtete.
Thuys Vater gab Ilka die Hand, sagte aber nichts. In seinen Augen erkannte Ilka eine Mischung aus Skepsis und Anspannung.
Auch Ilka war nervös und hoffte, dass nicht ausgerechnet heute irgendetwas schiefgehen würde. Ilka beobachtete, dass Frauke
wieder aus den Umkleideräumen kam, ins Becken sprang und dort begann, ihre Bahnen wie in einem normalen Training zu ziehen.
Ilka sah auf die Uhr. Okay, Frauke war schon häufiger um diese Zeit in der Halle gewesen. Trotzdem kam es ihr irgendwie komisch
vor. So kurz vor einem wichtigen Wettkampf trainierte man eigentlich nicht mehr so intensiv. Und wieso war sie überhaupt klatschnass
zu ihr in den Umkleideraum gekommen?
Ilka drehte sich wieder weg und wandte sich an ihre Schüler Jabali und Thuy. Sie nahm beide etwas beiseite, flüsterte ihnen
etwas zu und schickte Thuy dann auf den Startblock. Thuy stieg auf den Block, atmete einmal tief durch, warf Ilka noch einen
Blick zu, die ihr ermutigend zunickte, und prüfte dann ihre Ausgangsstellung: Die Füße standen etwa in Schulterbreite an der
Vorderkante des Startblocks. Ihre Zehen umklammerten den Rand. Sie ging in die Knie, beugte den Körper nach vorn und legte
die Hände ebenfalls vorn an die Blockkante.
Zufrieden betrachtete Ilka die Startposition ihres Schützlings.
Neben Thuy nahm Jabali die gleiche Haltung ein. Auch er gab sich Mühe, alles zu befolgen, was Ilka ihm mit auf den Weg gegeben
hatte. Auch ihm nickte Ilka aufmunternd zu.
Dann steckte sie die Trillerpfeife in den Mund und gab das Startsignal.
Thuy drückte sich mit Armen und Beinen kräftig ab. Nachdem sie die Hände vom Startblock gelöst hatte, stieß sie die Arme gerade
nach vorne. Sie zeigten auf den Eintauchpunkt im Wasser. Händeund Arme tauchten ein. Kopf, Rumpf und Beine folgten durch das Loch, das ihre Hände geöffnet hatten. Unmittelbar danach tauchte
Jabali ein.
Nach einer kurzen Unterwasserphase durchstieß zuerst Thuys Kopf die Wasseroberfläche, dann erschien auch Jabalis Kopf wieder.
Thuys Vater rührte sich nicht.
Jabali und Thuy zeigten die Kraulbewegung anfangs ganz langsam, um ihre Technik zu demonstrieren. Auf einen weiteren Pfiff
von Ilka aber legten sie los und sprinteten, so schnell sie konnten. Noch lange nicht so schnell wie Ilka, aber doch schon
mit beachtlicher Geschwindigkeit. So schnell, dass Frauke, an der sie vorbeischwammen, sich aufgerufen fühlte, das Tempo zu
verschärfen und auf der letzten Hälfte der Bahn in einen Wettkampf mit den beiden einzusteigen. An Jabali zog Frauke spielend
vorbei, doch Thuy konnte ein Stück mithalten und Frauke hatte mächtig zu kämpfen, um die Rangordnung wiederherzustellen, wie
Ilka grinsend beobachtete.
Auch die anderen auf der Tribüne erkannten das. »Jabali ist nicht mehr wiederzuerkennen!«, staunte Lennart. »Von wegen wasserscheu.«
Linh nickte. »Und Thuy ist eine Sensation. Sieh nur, wie schnell sie ist!«
Kurz bevor Thuy den Beckenrand erreichte, pfiff Ilka erneut. Thuy ließ Frauke endgültig ziehen, wartete auf Jabali und vollzog
mit ihm gemeinsam die Rollwende.
Als beide nach diesem Wendemanöver auftauchten, gab Thuys Vater seine stumme Beobachterposition auf. Er sprang auf und klatschte
begeistert in die Hände.
Er winkte Ilka zu und rief immer wieder etwas, das nur Linh verstehen konnte.
»Übersetz doch mal«, drängelte Lennart. »Was sagt er?«
Linh übersetzte: »Meine Anerkennung.«
Ilka sah vom Beckenrand, wie sehr Thuys Vater die Vorstellung gefiel, und war sehr erleichtert.
Alles klappte nach Plan. Es war Zeit für den Höhepunkt der Show.
Ilka zog schnell zwei Badmintonschläger aus ihrer Sporttasche und warf sie ins Wasser. Jabali und Thuy wussten Bescheid, fischten
sich die Schläger und begannen, im Wasser Federball zu spielen. Wie schwer das im Wasser war, war nicht zu übersehen.Jabali und Thuy gaben sich trotzdem alle Mühe und bewältigten die Schwierigkeiten überraschend
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