Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
konnte. Von Edgiths Frömmigkeit, Wohltätigkeit und Hilfsbereitschaft erzählten die Magdeburger noch nach Jahrhunderten sagenhaft ausgesponnene Anekdoten. Begraben wurde sie in „ihrer“ Stadt, in der kleinen Pfalzkirche, wo der König später über ihrem Grab eine Kathedrale errichten ließ.
Beider Sohn Liudolf, der Thronfolger, wurde mit neunzehn Jahren Herzog von Schwaben, ließ sich jedoch in den fünfziger Jahren zu der erwähnten Verschwörung gegen seinen Vater hinreißen. Er musste sich unterwerfen, verlor sein Herzogtum und starb mit erst siebenundzwanzig Jahren bei einer Heerfahrt in Italien an einer fiebrigen Erkrankung.
|329| Sein Freund und Mitverschwörer Konrad der Rote, inzwischen Gemahl seiner Schwester Liutgard und Herzog von Lothringen, musste sich ebenfalls dem König ergeben und suchte Bewährung auf dem Schlachtfeld. Der Vierunddreißigjährige fiel in der Magyarenschlacht bei Augsburg 955.
Ottos Schwester Gerberga, seit 940 Königin des Westfränkischen Reiches, war mit Erfolg bemüht, die gestörte Beziehung zu ihrem mächtigen älteren Bruder zu normalisieren und ihrem sieben Jahre jüngeren Ehemann, König Ludwig, eine nützliche Ratgeberin zu sein. Beider Hoffnung, Lothringen ihrem Königreich anzugliedern, erfüllte sich allerdings nicht. Otto drängte Ludwigs Truppen hinaus und verband sich mit seinem Schwager Hugo Magnus und Graf Heribert von Vermandois, den feindseligen Vasallen des jungen Herrschers. Anfangs war er der Schwester gram, weil sie sich als Witwe nicht seiner Munt unterworfen hatte, doch bald kam es zum Ausgleich zwischen den gegnerischen Parteien und zur Annäherung zwischen den Geschwistern. Als Königin wurde Gerberga, die schon vier Kinder von Giselbert hatte, noch siebenmal Mutter und waltete, nachdem Ludwig im fünfzehnten Jahr ihrer Ehe durch einen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war, eine Zeit lang mit Klugheit und Geschick als Regentin für ihren minderjährigen Sohn Lothar. Sie wurde sechsundfünfzig Jahre alt.
Den fünfzehnjährigen Utrechter Domschüler Brun ernannte sein Bruder Otto im Jahr 940 zum Kanzler, sein Vorgänger Poppo wurde Bischof von Würzburg. Brun bewährte sich in seinem Amt vortrefflich und machte im Laufe der Jahre aus der unter König Heinrich und anfangs auch unter Otto vernachlässigten Kanzlei eine Reichsbehörde, aus der später viele wichtige geistliche Amtsträger hervorgingen. Er selbst, der als einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit galt, wurde Erzkaplan und stieg mit achtundzwanzig Jahren zum Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen auf. So war er der erste deutsche Fürstbischof und zweiter Mann im Reich als Regent während Ottos längerer Abwesenheit in Italien. Er starb 965, vierzigjährig.
Nur neununddreißig Jahre alt wurde sein Neffe Wilhelm, Ottos ältester Sohn, und auch er gelangte, wie es die Familienpolitik des Königs vorsah, in ein hohes Amt, sogar das höchste Kirchenamt im Reich. Als der nach seiner Verurteilung bald begnadigte, doch bis zuletzt unzuverlässige Friedrich im Jahr 954 starb, übertrug ihm |330| Otto das Erzbistum Mainz. Obwohl stets loyal gegenüber dem Vater, scheute er nicht die Konfrontation, wenn er dessen Pläne – so anfangs die Gründung des neuen Erzbistums Magdeburg – nicht billigte. Oft begleitete er den reisenden Hof und der König schätzte den Rat seines Sohnes.
Was aus Wilhelms Mutter wurde, der Hevellerprinzessin (die Quellen lassen sie namenlos, deshalb wurde ihr in dieser Erzählung der Name Petrissa gegeben), ist nicht bekannt. Ihrem Bruder Tugumir gelang es nach seiner vorgetäuschten Flucht und der heimtückischen Ermordung seines Neffen Prislaw, die Herrschaft über den Stamm zurückzugewinnen. Wie vereinbart, übergab er die Brandenburg Otto, wo dieser zehn Jahre später eine Kathedrale erbauen und ein Bistum einrichten ließ. Die Wenden zwischen Elbe und Oder wurden – allerdings nur vorübergehend – wieder tributpflichtig.
Treu und zuverlässig bis zuletzt blieben die beiden fränkischen Grafen Konrad Kurzbold (gest. 948) und Udo von der Wetterau (gest. 949), die bei Andernach einen so bedeutenden Beitrag zum Erhalt von Ottos Herrschaft geleistet hatten. Säulen der Macht des Königs waren auch bis zu ihrem Tode die Markgrafen Hermann Billung (gest. 973), der ihn bei Abwesenheit in Sachsen als
procurator regis
vertrat, und Gero (gest. 965), dessen Strenge und Brutalität im Kampf gegen die slawischen Stämme sich mit seiner Frömmigkeit so gut
Weitere Kostenlose Bücher