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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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nach wie vor zu meinen Füßen herum. Da meine Tasche sich ohnehin bereits im Garten des unbekannten Schwimmers befand, hatte ich eigentlich keine großartige Wahl mehr. Entweder ich sprang meiner Tasche hinterher oder riskierte, dass Jamie mich erwischte. Mühsam hangelte ich mich weiter hoch, bis ich halb über dem Zaun hing, und versuchte, wenigstens ein Bein auf die andere Seite zu bekommen. Vergeblich.
    »Roscoe!«, rief Jamie von der Terrasse aus. »Was hast du da entdeckt, alter Knabe?«
    Ich wandte den Kopf, um zu ihm zurückzuspähen. Ob er mich wohl sehen konnte? Falls Roscoe nicht endlich aufhörte zu kläffen, hatte ich vermutlich bloß noch knappe fünf Sekunden, bis Jamie in den Garten kam, um nachzuschauen, wen oder was sein Hund gestellt hatte. Am Zaun. Dann weitere fünfzehn, bis er den Garten durchquert, und insgesamt möglicherweise fast eine Minute, bis er eins und eins zusammengezählt und kapiert hatte, was da abging.
    »Hallo?«
    Ich war so mit Sekunden-Zählen und Chancen-Ausrechnen beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie der Mensch, der da so ruhig und scheinbar unbeirrbar seine Bahnen schwamm, damit aufgehört hatte. Und nicht nur das: Er befand sich mittlerweile an dem Ende des Beckens, das mir näher war, und blickte zu mir empor. Seine Gesichtszüge konnte ich kaum erkennen, aber es handelte sich eindeutig um ein männliches Wesen. Ein äußerst freundlich klingendes männliches Wesen zumal, vor allem in Anbetracht der Umstände.
    »Hi«, murmelte ich.
    »Roscoe?«, rief Jamie erneut. Ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass er sich mittlerweile auf mich zubewegte und unaufhaltsam näher kam. Entweder öffnete sich jetzt doch noch das berühmte Wurmloch, das mich verschlang, oder ich entwickelte in Blitzeseile übermenschliche Kräfte   – denn falls nicht, brauchte ich einen Plan B.   Und zwar schnell.
    »Sind Sie   –?« Der Typ im Pool musste seine Stimme erheben, um sich über Roscoes Bellen hinweg verständlich zu machen.
    Ich schnitt ihm das Wort ab: »Nein.« Lockerte meinen Griff. Sein Gesicht verschwand, während ich auf meinerSeite des Zauns hinunterglitt und auf beiden Füßen landete. Sekunden später tauchte Jamie gebückt unter den niedrigen Bäumen auf, die den Garten auf dieser Seite begrenzten, und entdeckte mich.
    »Ruby?«, fragte er. »Was machst du denn hier draußen?«
    Er wirkte so besorgt, dass ich für einen Moment tatsächlich ein schlechtes Gewissen bekam. Als hätte ich ihn menschlich tief enttäuscht oder so ähnlich. Was natürlich absurd war, schließlich kannten wir einander gar nicht.
    »Nichts«, erwiderte ich.
    »Alles in Ordnung?« Er blickte zum Zaun hoch, dann wieder mich an. Roscoe, der endlich zu bellen aufgehört hatte, schnüffelte um Jamies Beine herum, gab diverse Schnaufer und Schnauber von sich.
    »Ja.« Ich konzentrierte mich darauf, bewusst langsam zu sprechen. Ruhig. Alles hing vom richtigen Tonfall ab. »Ich wollte bloß . . .«
    Ehrlich gesagt, hatte ich in dem Augenblick keinen Schimmer, was für eine Erklärung ich ihm liefern sollte. Ich hoffte wahrscheinlich, dass mir rechtzeitig schon irgendetwas Plausibles über die Lippen kommen würde. Ziemlich gewagte Hoffnung, wenn man bedenkt, wie viel »Glück« ich bis zu diesem Punkt bereits gehabt hatte. Trotzdem redete ich einfach drauflos, etwas anderes blieb mir ja auch gar nicht übrig. Doch bevor ich weitersprechen konnte, hörte man auf der anderen Seite des Zaunes ein dumpfes Geräusch, und im nächsten Moment erschien über uns ein Gesicht: der Typ aus dem Swimmingpool. Da es auf dieser Seite ein wenig heller war, konnte ich erkennen, dass er etwa in meinem Alter war, nasses blondes Haar und ein Handtuch um seinen Hals geschlungen hatte.
    »Hi, Jamie«, meinte er. »Was geht ab?«
    Jamie blickte zu ihm auf. »Hallo«, antwortete er. Und, an mich gewandt: »Du hast Nate also bereits kennengelernt?«
    Ich warf dem Kerl einen Blick zu.
Na schön
, dachte ich.
Immerhin besser als die Ausrede, die ich mir   – noch nicht   – ausgedacht hatte.
»Ja.« Ich nickte. »Ich wollte gerade   –«
    »Sie ist rübergekommen, um mir zu sagen, meine Musik sei zu laut«, meinte der Typ   – Nate? Ja, Nate. Im Gegensatz zu mir schien es ihm überhaupt keine Mühe zu bereiten, sich oben am Zaun abzustützen. Ob er wohl auf irgendetwas stand? An mich gewandt, fügte er hinzu: »Tut mir leid. Ich drehe sie immer voll auf, damit ich sie unter Wasser hören

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