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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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kann.«
    »Klar«, entgegnete ich. »Es ist bloß . . . ich konnte nicht schlafen.«
    Roscoe, zu unseren Füßen, fing plötzlich an zu husten und würgte etwas hervor. Unser aller Blicke wanderten zu ihm. Dann sagte Jamie gedehnt: »Na gut . . . es ist spät, wir haben morgen einen langen Tag vor uns, deshalb . . .«
    »Ja, ich sollte mich auch hinhauen«, meinte Nate, streckte die Hand nach unten, um einen Zipfel seines Handtuchs zu greifen und sich damit das Gesicht abzuwischen. Garantiert stand er auf einem Gartenstuhl oder etwas Vergleichbarem, dachte ich. Niemand hat so viel Kraft im Oberkörper. »Nett, dich kennenzulernen, Ruby.«
    »Gleichfalls«, antwortete ich.
    Er winkte Jamie grüßend zu und verschwand auf der anderen Zaunseite. Jamie sah mich einen Moment lang an, als versuchte er nach wie vor zu begreifen, was da gerade passiert war. Ich meinerseits bemühte mich, seinem Blick standzuhalten, während er mich forschend musterte. Erst als er die Hände in die Taschen steckte und über den Rasenaufs Haus zulief, ließ meine Anspannung nach. Roscoe trottete hinter Jamie her.
    Ich folgte Jamie wohl oder übel und hatte gerade den Schatten der Bäume erreicht, als ich ein »Pssst!« hinter mir vernahm. Ich drehte mich um. Nate hatte ein bis dahin unsichtbares Tor im Zaun geöffnet und meine Tasche hindurchgeschoben. »Die brauchst du vielleicht noch«, meinte er.
    Als müsste ich ihm dafür zu allem Überfluss dankbar sein.
Unfasslich
, dachte ich. Ging aber hin, nahm mir die Tasche.
    »Und wofür ist der?«
    Ich blickte ihn an. Er war größer als ich, hatte die Hand auf das Tor gelegt und in der Zwischenzeit ein dunkles T-Shirt übergezogen. Seine Haare begannen bereits zu trocknen und standen ihm ein wenig vom Kopf ab. Im Flimmerlicht des Schwimmbeckens, kombiniert mit den Lampen aus dem Haus in meinem Rücken, konnte ich sein Gesicht jetzt deutlich erkennen. Er sah nicht schlecht aus, aber eben so, wie reiche Kids aussehen, durchtrainiert, glatt, überhaupt nicht mein Typ.
    »Bitte?«
    »Der Schlüssel.« Er deutete darauf. »Wofür ist der?«
    Jamie betrat gerade das Haus und ließ die Tür für mich offen stehen. Ich hob die Hand und ließ die Kette durch meine Finger gleiten. »Für gar nichts«, antwortete ich.
    Als ich mich dem Haus näherte, hielt ich meine Tasche so, dass sie im Schatten hinter mir verschwand und hoffentlich nicht weiter auffiel.
Ich war so dicht dran
, dachte ich.
Ein niedrigerer Zaun, eine fettere Töle, und alles wäre anders verlaufen
. Aber war es nicht immer so? Den ausschlaggebenden Unterschied verursacht eigentlich nie etwas Großes, sondern fast immer irgendein winziges Detail, welches dasUniversum wie ein leichtes Kitzeln oder Kneifen aus dem Gleichgewicht bringt, während man selbst noch schwer damit beschäftigt ist, aufs Gesamtbild zu achten.
    Als ich am Haus ankam, waren weder Jamie noch Roscoe irgendwo zu sehen. Dennoch hielt ich es für zu riskant, meine Tasche mit hineinzunehmen; und da ich sie schwerlich auf den Balkon werfen konnte   – zu hoch   –, beschloss ich, sie irgendwo unauffällig abzustellen und später wieder runterzukommen, um sie mir zu holen. Wenn die Luft rein war. Deshalb schob ich sie hinter den Grill und schlüpfte durch die Hintertür ins Haus. Im gleichen Moment wurde bei Nate im Garten die Poolbeleuchtung ausgeschaltet. Zwischen seinem und unserem Haus herrschte nun Dunkelheit.
    Ich stieg die Treppe hinauf, um in mein Zimmer zu gehen. Die ganze Zeit über bekam ich Jamie nicht mehr zu Gesicht. Und wenn doch, hätte ich keine Ahnung gehabt, was ich zu ihm sagen sollte. Vielleicht hatte er mir meine kümmerliche Ausrede abgekauft, die untermauert und gedeckt worden war von einem Typen, der nachts im eigenen Schwimmbecken seine Bahnen zog und zufällig zur   – zumindest für mich, wie sich herausstellte   – falschen Zeit am richtigen Ort gewesen war. Schon möglich, dass Jamie so gutgläubig war, im Gegensatz zu meiner Schwester, die sich mit Abhauen auskannte, und eine Lüge, selbst eine ausgefingerte, noch auf einen Kilometer Entfernung riechen konnte. Wahrscheinlich hätte sie mir liebend gern den Schubs versetzt, den ich gebraucht hätte, um den Zaun zu überwinden. Oder mir das Tor gezeigt   – alles, um mich endgültig loszuwerden.
    Ich wartete eine geschlagene Stunde, bevor ich hinunterschlich. Doch wie sich herausstellte, war das gar nicht nötig. Denn als ich vorsichtig meine Zimmertür öffnete, stand meine Tasche

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