Abschied braucht Zeit
Tisch, jedoch ohne etwas zu genießen ... Als [man] ihn … in seine Kissen gebettet hatte, gebrauchte er noch seine beliebte lateinische Wendung: Jetzt sei alles in bester Ordnung ›testudine et facie, wie in der Schlachtordnung‹. … Seit dem 7. Februar blieb er – ausgenommen eine kurze Weile am folgenden Mittag, wo er vergebens einen Löffel Suppe zu genießen versuchte – im Bett. Freitag Vormittag erkannte er noch Wasianski, erwiderte dessen Morgengruß und streichelte ihm liebevoll die Wange. Als der Getreue ihn am folgenden Tage fragte, ob er ihn noch kenne, vermochte er nicht mehr zu antworten, reichte ihm jedoch – etwas ganz Ungewöhnliches bei ihm – seinen blassen Mund zum Kusse. Der Freund blieb auch in der letzten Nacht, vom 11. auf den 12. Februar, am Lager des Sterbenden und reichte ihm öfters zur Erquickung einen Löffel mit einer Mischung von Wein, Wasser und Zucker, bis er zuletzt leise sagte: ›Es ist gut.‹ Das waren die letzten Worte, die aus Kants Munde kamen. Gegen 4 Uhr früh gab er sich eine andere Lage, in der er von da an unbeweglich bis zu seinem Tode verharrte. Bald darauf begann der Puls schon auszusetzen, aber erst um 10 Uhr vormittags brach sein Auge, und um 11 Uhr tat er in Gegenwart seiner letzten Pfleger (seiner Schwester, des Neffen, des an seinem Bette knienden Wasianski, des herbeigerufenen Dieners und des eben eingetretenen Vigilantius) den letzten Atemzug. Sein Tod war nach dem Zeugnis Wasianskis ›ein Aufhören des Lebens‹, aber nicht ›ein gewaltsamer Akt der Natur‹…« 214
5. Gute Behandlung von Schmerzen und anderen Symptomen
Herr S. litt an Lungenkrebs. Er hatte seine Sterbephase zu Hause im Kreis der Familie sorgfältig vorbereitet und durch die gute Behandlung seines Onkologen auch nur geringe Beschwerden. Doch dann kam es ganz anders als geplant – aufgrund einer akuten Komplikation konnte er nach der Strahlentherapie nicht wie vorgesehen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die nächtlichen Schmerzen, die Schlaflosigkeit und immer wieder Anfälle von Atemnot ließen ihn nicht zu Ruhe kommen. Nein, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Die Verlegung auf die Palliativstation wurde von Herrn S. und auch seinem Onkologen als Niederlage empfunden. Als eine gute Bedarfsmedikation die Beschwerden nach wenigen Tagen gebessert hatte, wurde die Entlassung erneut vorbereitet. Am Tag vor der Entlassung traten jedoch mehrere Krampfanfälle auf, die auf die rasche Progredienz der Erkrankung hindeuteten. Herr S. sprach davon, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, wie er es schon vor einiger Zeit beabsichtigt hatte. Die Palliativmediziner boten in der angespannten Situation eine palliative Sedierung zur Entlastung an. Die letzten Tage bis zu seinem Tod blieb Herr S. in einem leichten Dauerschlaf, aus dem er gelegentlich erwachte, aber in den er sich auch wieder zurückziehen durfte, wenn die Unruhe zu stark wurde. Er wurde mit seinem Bett häufig in den Park gebracht, die Familie begleitete den Sterbenden in gefasster Geduld. Herr S. starb wenige Tage später an einem milden Augustsommerabend friedlich im Park. Die Angehörigen waren dankbar, die letzte Phase so friedlich begleiten zu können. »Ein Tod, der uns gut in Erinnerung bleibt«, sagte seine Frau.
Ich wünsche mir eine gute palliativmedizinische Betreuung und eine einfühlsame Begleitung (was bei mir sicherlich eine Herausforderung darstellt), wenn ich unter belastenden Symptomen wie Atemnot, Übelkeit, Schwäche, Schlaflosigkeit und Schmerzen leide. Ich möchte selbst bestimmen, welche Symptome, wann und wie meine Beschwerden behandelt werden, und erwarte von den Ärztinnen und Ärzten Aufmerksamkeit und Interesse für meine Sorgen. Ich möchte meine letzte Lebens- und Sterbenszeit weitgehend beschwerdearm und sinnvoll gestalten. Dabei möchte ich selbst die Maßstäbe setzen, was wann notwendig ist und was oder wie lange etwas erträglich ist. Sollten für mich die Belastungen unerträglich werden, oder die Nebenwirkungen der Therapie im Vordergrund stehen, so möchte ich – auch im Notfall, wenn ich nicht entscheidungsfähig sein sollte – so behandelt werden, dass ich die letzte Lebensphase bis zum Tod weitgehend im Dauerschlaf verbringe. Auch wenn es nicht zu meinen Vorstellungen eines guten Sterbens gehört, im Schlaf zu sterben, so kann es Situationen geben, in denen ich den Schlaf für die restliche Zeit meines Lebens der Wachheit und Schlaflosigkeit mit unerträglichen Beschwerden den
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