Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
mir
gewaltig auf die Nüsse!
»Sachlage
präsentiert sich wie folgt. Einem der Spieler passieren seit geraumer Zeit
merkwürdige, zum Teil reichlich skurrile Dinge. Ich meine, das ist bei diesen
Stars ja nicht ungewöhnlich, ich selbst, der ich hier im Hause prominent im
Rampenlicht stehe, habe oft genug erlebt, wie Fans dem Objekt ihrer
Leidenschaft zu Leibe rücken können.«
Ganz
unrecht, dachte Kadir, hatte er damit nicht. Die Blicke der Gäste folgten dem
Clubchef stets wie hypnotisiert, und man wetteiferte um Ollis Aufmerksamkeit,
wenn er jovial an den Gruppentischen des Restaurants entlangschlenderte, um hier
und dort einen Plausch mit Auserwählten zu halten. Sobald er durch ein
flatterndes Handzeichen signalisierte, beim Beachvolleyball oder Fußball
mitspielen zu wollen, oder wenn er im Musicaltheater nach der Show auf die
Bühne sprang, klatschten und johlten seine weiblichen Fans fast bis zur
Besinnungslosigkeit. Eines Nachts sah sich Kadir gezwungen eine betrunkene
junge Frau, die an den Weinstauden bis in den zweiten Stock zu Ollis Zimmer
hinaufgeklettert war, mühsam von der Wand zu klauben. Sie hing am Fensterbrett
festgekrallt, die Füße verhakt und verheddert wie ein unglückseliges
Bergsteigeropfer an der Eiger Nordwand und heulte wie ein Kojote den Mond an.
Wie
viel mehr Emotionen mochte da ein Fußballstar auslösen?
»Es
geht um Rocco Erdmann, ist Ihnen ja hoffentlich ein Begriff, der Mann. Alles
begann vor einigen Monaten recht harmlos, zunächst mit Briefen, die den Spieler
beschimpften, beleidigende Pamphlete, die ihn gar nicht erst erreichten, weil
sie an den Verein adressiert waren und dort natürlich abgefangen wurden. Dann landeten
die Briefe allerdings bei ihm zu Hause im Briefkasten, offensichtlich
persönlich eingeworfen – er las die ersten vier, fünf Stück, danach wanderten
sie direkt in den Müll. Unvermittelt hörten die Briefe auf, und Rocco Erdmann
vergaß sie über den Tonnen von bewundernder Fanpost, die ihn täglich per Mail
oder Post erreichte. Irgendwann begannen die abartigen Scherze. Ein
aufgeschlitzter Riesenteddy hing eines Morgens am Gartentor, Weißwürste, die als
Eingeweide dienten – sehr lecker übrigens, solche bayrischen Weißwürste, meine
ich – quollen aus dem gemarterten Stoffleib. Auf dem Kopf trug der Teddy eine
Kinderbaseballkappe mit Roccos Namen und Nummer.«
Kadir
beugte sich interessiert vor. Rocco Erdmann, ein echtes Kind aus Bütte-Erkenroytz,
ein begnadeter Stürmer voll Talent und Hingabe, ein Spieler, den die Menschen
in der Region genauso liebten wie seinen Trainer. Nachdem er Angebote von
Manchester United und Real Madrid abgelehnt hatte, um weiterhin für seinen
Verein in Bütte-Erkenroytz zu spielen, hatte Bürgermeister Jakob Wasserpfeil
gerührt eine Petition der Bürger verlesen, die vorschlug, das alte
Reiterstandbild vom Marktplatz zu entfernen und stattdessen eine fünf Meter hohe
Bronzestatue von Rocco und Poppo, die die Fans schon in Auftrag gegeben und aus
eigener Tasche bezahlt hatten, aufzustellen.
Rocco
Erdmann und seine Frau Madlen, die als Moderatorin einer Casting-Show selbst ein
Star war, waren beliebte und begehrte Gäste in Fernsehshows, bei Galadiners und
Charity-Veranstaltungen. Man traf sie in Büttes Kneipen im Gespräch mit dem
örtlichen Leichenbestatter ebenso wie auf der Party eines Düsseldorfer
Kunstmäzens, überall schienen sie sich wie Chamäleons ihrer Umgebung anzupassen
und sich gleichermaßen wohlzufühlen. Kaum ein Foto, auf dem die beiden nicht
lächelten und strahlend in die Kamera blickten, meist Wange an Wange und eng
umschlungen, kaum ein Tag, an dem nicht eine Story von den beiden in den
unterschiedlichsten Gazetten zu lesen war.
Wer
hängte einem solchermaßen verehrten und beliebten Mann aufgeschlitzte Teddys
ans Gartentor?
»Und
wenn’s nur dabei geblieben wäre! Dem Einfallsreichtum dieses Stalkers scheinen
keine Grenzen gesetzt. Explodierende Blumensträuße vor der Haustür, eine von
Maden durchzogene Schweinshaxe auf der Terrasse, der Torso einer
Schaufensterpuppe, mit einem Seil um den Hals und einer angeklebten Ochsenzunge
am Plastikmund, einfach des Nachts über die Gartenmauer geworfen, das Auto von
Roccos Frau über und über mit echtem Blut beschmiert…«
» Aman
tanrim , das klingt reichlich pervers! Erstaunlich, dass davon nichts an die
Presse gedrungen ist, gerade weil Rocco Erdmann und seine Frau in den Medien so
präsent sind.«
»Kann
niemand ein Interesse dran
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