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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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Rauschgiftsüchtige ist Mona eine Schönheit.
    Aber manchmal sehe ich sie an, diese sehr schöne und sehr reiche Frau, die zufällig meine Gattin und rauschgiftsüchtig ist. Ich sehe sie an und erinnere mich an die Frau, die sie einmal gewesen war, frei und unabhängig. Ich erinnere mich an unsere erste Nacht am Strand von Atlantic City und an andere Nächte und andere Orte. Dann weiß ich, dass etwas für immer verloren ist. Sie ist nicht mehr wirklich lebendig. Das Gesicht ist dasselbe, und ihr Körper ist derselbe, aber etwas hat sich geändert. Die Augen vielleicht. Oder die tiefe Dunkelheit dahinter.
    Der Vogel im Käfig ist nicht mehr das wilde Ding, das man im Wald gefangen hat. Es gibt einen Unterschied.
    So viele unvorhergesehene Dinge könnten passieren. Vielleicht verschwindet eines schönen Tages der große Mann für immer aus dem Café. Sie wird wie ein Tiefseetaucher reagieren, dem man den Luftschlauch durchgeschnitten hat. Wir werden ganz Las Vegas durchsuchen und jeden Stein umdrehen, bis wir einen neuen Dealer finden. Und ich werde das seltene Privileg haben, Monas Seele sterben zu sehen. Stück für Stück.
    Oder es gibt eine Razzia, und sie macht einen kalten Entzug hinter Gittern, schlägt mit dem Kopf gegen die Wand und verdammt die Wächter mit unnützen Flüchen. Oder sie krepiert an einer Überdosis, weil irgendein Idiot in der Verteilerkette vergessen hat, das Heroin zu strecken. Eine Überdosis, und ihre blauen Venen und ihre Augen treten hervor und sie ist tot, ehe sie die Nadel aus dem Arm zieht.
    So viele Dinge …
    Ich glaube, sie ist jetzt glücklich. Sobald sie sich an die Sucht gewöhnt hatte – wie gewöhnt man sich eigentlich daran, abhängig zu sein? Eine gute Frage – jedenfalls, sobald sie sich daran gewöhnt hatte, begann sie Gefallen daran zu finden. Eigenartig, aber es stimmt. Wenn es einen juckt, tut es gut, sich zu kratzen. Jetzt freut sie sich auf ihre Spritzen, hat Vergnügen daran. Natürlich hat sie den Bezug zu einem Teil der Realität verloren. Aber sie scheint zu glauben, dass das, was sie stattdessen bekommt, diese Wirklichkeit mehr als ersetzen kann. Vielleicht hat sie recht. Die Wirklichkeit wird oft sehr überschätzt.
    Eigenartig.
    »Du solltest es versuchen«, sagt sie hin und wieder. »Ich würde dir so gerne beschreiben, wie es sich anfühlt. Total abgefahren. Als ob eine Bombe explodiert, kapierste?«
    Manchmal, wenn sie high ist, redet sie wie ein Hippie.
    »Du solltest es mal versuchen, Joe. Nur eine kleine Bombe, um dich auf Trab zu bringen. Damit du weißt, wie es sich anfühlt.«
    Ein eigenartiges Leben in einer eigenartigen Welt.
     
    Gestern geschah etwas Seltsames.
    Es war vier Uhr, und ich spritzte ihr den Nachmittagsschuss. Ich kochte das Heroin auf, zog es in der Spritze auf, hob ihr Bein und suchte nach der Vene. Sie war knapp an dem Punkt, wo sie den Schuss brauchte. In fünf oder zehn Minuten hätte sie zu zittern begonnen. Ich fand die Vene, spritzte ihr das Zeug und beobachtete, wie sich das selige Lächeln über ihr Gesicht ausbreitete, bevor sie wegkippte.
    Dann wusch ich den Löffel und wollte die Sachen gerade wegräumen. Manche Junkies passen nicht auf ihre Geräte auf; auf diese Weise sterben sie an einer Infektion. Ich bin immer vorsichtig.
    Wie gesagt, ich wusch gerade den Löffel und legte ihn weg. Dann hielt ich inne – vielleicht sollte ich sagen, ich verlangsamte meine Bewegung – und nahm noch eine kleine Kapsel mit dem komischen weißen Pulver und legte sie auf den Löffel.
    Ich wollte selbst einen Schuss.
    Komisch. Das hatte nichts mit ihren Worten zu tun, ihrer Einladung, ich solle doch auch herausfinden, wie es sich anfühlte. Ich war kein Schuljunge mehr, der ein verbotenes Laster suchte.
    Natürlich legte ich die Kapsel wieder weg. Ich räumte auch den Löffel und die Spritze auf. Ich schloss das Etui und den Beutel mit den Kapseln weg. Selbst in Las Vegas weiß man nicht, wann ein Bulle plötzlich auf die Idee kommt, dass seine monatliche Verhaftungsquote zu niedrig ist. Ich lasse nie etwas herumliegen.
    Ich räume immer alles weg.
    Zumindest habe ich das bis jetzt immer gemacht.
    Doch seitdem denke ich immer daran. Ich kann mir gut vorstellen, was geschehen wird. Vielleicht beim nächsten Mal, wenn ich ihr die Spritze gebe. Oder eine Woche später. Oder einen Monat. Sie wird ins Land der Träume sinken, und das dankbare Lächeln wird langsam ihr trauriges, wunderschönes Geschichte verlassen, und ich werde die Geräte

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