Don Juan de la Mancha
Robert Menasse, geboren 1954 in Wien, studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. Er lebt als Romancier und Essayist in Wien und Amsterdam.
Er veröffentlichte die Romane Sinnliche Gewißheit, 1988, Selige Zeiten, brüchige Welt, 1991, Schubumkehr, 1995, und Die Vertreibung aus der Hölle, 2001. 2005 erschien Das war Österreich. Gesammelte Essays zum Land ohne Eigenschaften und 2006 Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen und Das Paradies der Ungeliebten. Ein Schauspiel.
»Man kann nur mit der ersten Frau oder mit der letzten glücklich werden«, sagt der Vater und fasst so das Dilemma des Verführers zusammen. Auch Nathan, der Sohn, ist ein Verführer. Schnell sind wir ihm verfallen, dem melancholischen, tragikomischen Wiederholungstäter im ritterlichen Kampf um die Rettung der Liebe. Und schnell sympathisieren wir mit den Frauen, die seinen Weg kreuzen.
Nathans Vater suchte sein Glück bei den Frauen, Nathans Mutter fand ihr Unglück bei den Männern. Nathan bricht auf in die Welt, um alles ganz anders zu machen. Was macht er ganz anders? Nichts. Nur die Bedingungen haben sich geändert, die Ansprüche. Nathan, bei seiner Zeitung zuständiger Redakteur für das Ressort »Leben«, verkörpert die Generation der Nach-68er. Unter dem Diktat der Emmas und Bettys darf er seine Männlichkeit zwar ausleben, aber nicht mehr genießen.
Unterhaltsamer und pointierter denn je zeichnet Robert Menasse das Portrait seiner Generation und einer Gesellschaft, »die nicht einmal einen Liter Mineralwasser verkaufen kann, ohne diese Ware erotisch zu besetzen«. Der Erlösung kommt sein Held nicht näher, aber wir sehen uns am Ende dieses ungewöhnlichen Bildungsromans nicht nur aufgeklärt in einer abgeklärten Welt, sondern auch merkwürdig getröstet. Von solch zärtlicher Ironie lässt man sich gerne verführen.
Robert Menasse wirft einen Blick durchs Schlüsselloch und schaut auf eine Epoche: unser letztes halbes Jahrhundert.
Robert Menasse
Don Juan de la Mancha
oder
Die Erziehung der Lust
Roman
Suhrkamp
Erste Auflage 2007
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2007
ISBN 978-3-518-41910-6
2 3 4 5 6 – 12 11 10 09 08 07
Umschlaggestaltung:
Regina Göllner und Hermann Michels unter Verwendung eines Fotos von David Sacks
1.
Die Schönheit und Weisheit des Zölibats verstand ich zum ersten Mal, als Christa Chili-Schoten zwischen den Händen zerrieb, mich danach masturbierte und schließlich wünschte, dass ich sie – um es mit ihren Worten zu sagen – in den Arsch ficke. Es gebe dafür, also für die Kombination von Chili und Analverkehr, im Altgriechischen ein eigenes Verbum, sagte sie. In Wahrheit nicht für Analverkehr mit Chili, sondern mit Meerrettich, sie sagte: »Recte Meerrettich«, jedenfalls im Grunde für diese Technik. Sie sagte das altgriechische Verbum, sie schrie es, ich schrie auch, und wenn das, was ich schrie, ein Wort war, dann war es älter als Altgriechisch. Ich hatte Wasser in den Augen. Ich glaube nicht, dass ich in einem brennenden Haus größere Panik empfunden hätte.
Der Zölibat, das war leider wirklich mein Gedanke in diesem Moment, und ich sprach ihn dann auch aus, erspart zwei Arten von Erfahrung, die mit dem anderen Geschlecht unumgänglich sind: die Langeweile und den Schmerz, also das gleichsam auf das baldige Jenseits hoffende Keuchen in den Armen einer biederen oder aber, schlimmer noch, einer nicht biederen Frau. Ich sagte: Entweder hohe Minne oder gute Minne zum bösen Spiel.
»Du mit deinen Kalauern!«, sagte Christa, als ich ein Sitzbad mit einem Sud aus Salbei und Kamille vorbereitete.
Sie ging, ohne sich zu duschen. Sie war in Eile, musste zu ihrer Vorlesung. Sie war Dozentin für alte Sprachen.
Ich saß in der Badewanne, fror und brannte. Nie wieder wollte ich mich in ihre Hände begeben, in die Hände einer Frau. Andererseits: Ich wusste nicht, was ich, abgesehen von dem, was ich tun musste, sonst tun sollte.
2.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man kaum noch Sex hat, nur weil man keine Lust mehr auf Sex hat. Im Gegenteil: ich hatte nie ein so exzessives Sexualleben wie jetzt, wo Sex mich langweilt.
Das hat zwei Gründe: Erstens bin ich nicht mehr nervös. Warum sollte ich in einer Situation nervös sein, die mich langweilt? Die Nervosität beeinträchtigt die Virilität viel mehr, als die
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