Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 3
gegen einen Firmenwechsel.
Der Grund dafür war Dr. Kahls Frau beziehungsweise der Ozelotmantel, den Dr. Kahl seiner Frau zu Weihnachten gekauft hatte.
Meine Mutter war schon eine radikale Gegnerin von Pelzmänteln, als es noch keine Spraydosenattentäter gab und Kürschner noch ein hochangesehener Beruf war. Wegen des Nerzmantels, den meine Oma sich 1969 von ihrem Ersparten kaufte, war meine Mutter auch 1999 noch stinksauer auf meine Oma. Wenn meine Oma ihren Nerzmantel trug, tat meine Mutter immer so, als ob sie meine Oma gar nicht kenne. Einmal sprach sie sie sogar an der Supermarktkasse mit Sie an.
»Wissen Sie, wie viele Tiere für diesen Mantel sterben mussten?«, fragte sie so laut, dass alle Leute es hören konnten.
Und meine Oma antwortete: »Nun mach dir mal nicht ins Hemd, Kind, diese toten Tiere vererbe ich auf jeden Fall deiner Schwester.«
Ozelot war aber noch viel, viel schlimmer als Nerz, sagte meine Mutter. Für den Mantel von Frau Kahl hatten mindestens drei Großkatzen ihr Leben lassen müssen.
Meine Mutter fand, mein Vater könne nicht guten Gewissens für einen Mann arbeiten, der das Abschlachten von vom Aussterben bedrohter Tiere unterstütze, und wenn doch, sagte sie, würde sie sofort die Scheidung einreichen.
Mein Vater, meine Schwester und ich mochten Frau Kahl. Wir fanden sie interessant. Sie hatte so lange Fingernägel, dass sie ihre Hände im Schoß liegen lassen und sich trotzdem am Kinn kratzen konnte. Na ja, fast. Außerdem sprach sie merkwürdig.
»Hoch, wos sönd dos nöttö Mödchön«, sagte sie, als sie meine Schwester und mich das erste Mal sah. »Wö Schnöweußchön und Rosönrot!«
Meine Schwester und ich dachten, Frau Kahl käme aus einem anderen Land und könne unsere Sprache nicht, aber meine Mutter sagte, Frau Kahl hätte einfach nur einen Ratsch im Kappes.
Als sie »Öchtör Ozölot, föhlön Sö mol« sagte, hatte sie bei meiner Mutter ein für allemal verschissen.
»Ich sage immer, mir steht er besser als dieser dicken Katze«, sagte Frau Kahl dann auch noch. (Na ja, eigentlich sagte sie: »Öch sogö ömmör, mör stöht ör bössör ols döser döckön Kotzö«, aber das sieht, so geschrieben, doch ein wenig missverständlich aus.)
»Hast du das gehört?«, zischte meine Mutter meinem Vater zu, und mein Vater nickte: »Ja, das ist ein dicker Hund, was?«
Aber bei diesem Thema verstand meine Mutter keinen Spaß.
Als Frau Kahl beim nächsten Treffen auch noch Robbenstiefel zum Ozelotmantel trug, gab sich meine Mutter keine Mühe mehr, höflich zu sein.
»Für diese Stiefel wurde kleinen Robbenbabys das Fell bei lebendigem Leib abgezogen«, sagte sie zu Frau Kahl.
Frau Kahl zeigte auf das Schweinefilet auf ihrem Tellerund sagte: »Dös Tör löbt och nöcht möhr«, was so viel heißen sollte wie: »Dieses Tier lebt auch nicht mehr.«
Da hatte sie natürlich recht.
»Wir gehen da nicht mehr hin«, sagte meine Mutter aber trotzdem.
Das fanden wir ungerecht. Wir liebten nämlich die Einladungen bei Kahls. Frau Kahl buk fantastische Sahnetorten, denen selbst meine Mutter nicht widerstehen konnte.
Nur Sabine, die Tochter der Kahls, knabberte stattdessen immer Stangensellerie und Möhren. Dabei sah sie nicht so aus wie jemand, der sich von Rohkost ernährt.
»Sie hat gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht«, informierte uns Dr. Kahl. »Bei Liebeskummer bekommt man schon mal ein paar Figurprobleme.«
»Dö Sabönö öst nur ön wönög föllögör göwordön«, sagte Frau Kahl. »Meun kleunös Dornröschen!«
Für Frau Kahl waren alle Mädchen Prinzessinnen. Uns nannte sie »Schnöweußchön und Rosönrot«, und das gefiel meiner Schwester und mir, denn meine Mutter hielt nichts von prinzessinnenhaftem Gehabe.
Obwohl Dornröschen-Sabine in der Nobelboutique bereits ihr eigenes Geld verdiente, wohnte sie noch zu Hause. An ihrer Stelle wäre ich aber auch nicht freiwillig ausgezogen: Sie hatte ein Zimmer so groß wie ein Ballsaal, mit einem Himmelbett wie aus einem Märchenbuch und einem eigenen Bad.
Und sie war so nett. Meiner Schwester schenkte sie schöne Jeans und mir ihre alten Barbiepuppen.
Kein Wunder also, dass uns die Bekanntschaft mit den Kahls alles in allem nur vorteilhaft erschien. Aber meineMutter war zu keinem Kompromiss bereit. Mit Leuten, die sich einen Ozelotpelz umhingen, wollte sie nichts zu tun haben. Und wehe, mein Vater zog auch nur in Erwägung, für einen Ozelotmörder zu arbeiten!
»Vielleicht kann man ja Pelze tragen und
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