Acht cropped
„Natürlich. Es tut mir sehr leid für Sie. Der Vorfall mit Ihrer Tochter ist uns allen im Krankenhaus sehr nahegegangen .«
Angelika Kellermann schluckte den Kloß in ihrem Hals runter. »Vielen Dank für Ihr Mitgefühl. Ich würde mich gerne persönlich bei Frau Neumann für ihre Arbeit und Zuwendung an Cordulas Krankenbett bedanken .«
„Da haben Sie Glück. Sie hat gerade Dienst. Soll ich einfach mal oben anrufen und nachfragen, ob Sie Zeit hat ?«
„Das wäre sehr nett. Es wäre schön, wenn ich Sie kurz unter vier Augen sprechen könnte. Ich habe da nämlich eine Kleinigkeit für sie .« Sie deutete mit einem gönnerhaften Lächeln auf ihre Handtasche.
Ihr Gegenüber zwinkerte ihr zu, als sie auf der Intensivstation anrief und kurz mit dem Schwesternzimmer sprach. Dann wandte sie sich ihr wieder zu und sagte: »Frau Neumann ist gerade abkömmlich. Sie bittet Sie, zur dritten Etage zu kommen. Sie wird vor dem Fahrstuhl auf Sie warten .«
»Vielen Dank!« Zielstrebig ging sie auf das Treppenhaus zu.
Sonja stand tatsächlich schon vor der Aufzugtür, als diese sich öffnete.
„Guten Tag, Frau Kellermann. Das ist ja eine Überraschung !«
Sie wirkte etwas hilflos, als sie versuchte, ein Gespräch zu beginnen. Wie sollte man auch mit der Mutter einer ehemaligen Patientin sprechen, die erst vor wenigen Wochen in diesem Gebäude gestorben war? Zudem fühlte Sonja sich unwohl, weil sich ihr nicht erschließen wollte, warum Frau Kellermann sich gerade bei ihr bedanken wollte. Sie hatte ihrer Ansicht nach nicht mehr oder weniger für die Familie getan als jede andere ihrer Kolleginnen.
Angelika Kellermann schüttelte ihr die Hand, sah sich aber gleichzeitig um.
»Entschuldigen Sie bitte mein Auftreten, aber ist es wohl möglich, dass wir uns irgendwohin zurückziehen? Sie werden gleich verstehen, warum .«
Mit einem Stirnrunzeln öffnete Sonja die Tür zu einem der Ruheräume. Sie setzte sich auf eine Liege und bot Cordulas Mutter den Platz neben sich an. „Jetzt bin ich aber neugierig geworden .«
Angelika Kellermann öffnete ihre Handtasche und zog einen braunen Umschlag heraus. „Sie wissen, dass wir gemeinsame Bekannte haben, Frau Neumann ?«
Sonja sah sie erstaunt an. „Ja, natürlich. Ich weiß, dass ihre Tochter die beste Freundin von Marc Werting war. Dieser ist wiederum ein guter Freund von meinem Mann. Sie haben sich vor vielen Jahren bei der Feuerwehr kennengelernt .«
„Ach so, ein guter Freund also." Mit ernster Miene reichte sie ihr den Umschlag.
Sonja öffnete ihn und zog einige Fotos heraus. Schon bei der ersten Aufnahme wurde ihr klar, dass von diesem Zeitpunkt an ihr Leben nicht mehr dasselbe sein würde. Sie sah ihren Mann beim Sex mit Marc. Ihr Andreas – bei einem schwulen Geschlechtsakt? Sie gab Angelika den Umschlag zurück und starrte wortlos auf den Boden.
Um sie herum begann der Raum zu kreisen. Andreas hatte Sex mit Marc gehabt. Wahrscheinlich nicht nur einmal. Warum nur?
Fragen hämmerten auf sie ein. Warum hatte er nie mit ihr über seine Neigungen gesprochen? Wieso hatte er sie all die Jahre lang angelogen? Und waren seine Gefühle ihr gegenüber nur gespielt gewesen? Hatten sie deshalb in den letzten Jahren so wenig Sex gehabt? Hatte er sich mit Marc über sie lustig gemacht? Sie, die dumme Gans, die glaubte, ihr Mann sei ein fürsorglicher Ehemann.
Was sollte sie überhaupt noch glauben?
Schließlich brach sie das minutenlange Schweigen. »Wie kommen Sie an diese Bilder? Und warum zeigen Sie sie mir? Wollen Sie mich etwa erpressen?" Ihre Stimme bebte immer mehr.
Frau Kellermann hatte sie die ganze Zeit über wohlwollend angesehen. Jetzt nahm sie ihre Hand in ihre eigene und sagte beschwichtigend: »Kindchen, nein! Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich will dir die Augen öffnen. Dich schützen! Ich darf doch weiter du zu dir sagen? Unter diesen Umständen."
Sonja schüttelte den Kopf. »Ich versteh das einfach nicht. Mein Mann ist doch nicht schwul! Wie könnte er auch? Wir sind seit Jahren verheiratet. Wir haben einen Sohn. Wir haben ein Liebesleben!"
»Wieso und weshalb er Sex mit Marc hat, der ja bekanntlich schwul ist, das muss dir dein Mann schon selber erklären. Fakt ist allerdings, dass ich diese Aufnahmen im Zimmer meiner Tochter gefunden habe, als ich nach ihrer Beerdigung aufräumen wollte. Ich habe Marc die Fotos auch gezeigt."
„Und?"
„Er sagt, Cordula hätte versucht, ihn dazu zu bewegen, Schluss mit Andreas zu machen. Die beiden
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