Achtmal kam der Tod Kommissar Morry
reißen. Das stöhnende Röcheln Jeff Frewins schreckte ihn aus seinem Brüten auf. Er wandte sich dem Sofa zu.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er töricht. Seine eigenen Worte erschienen ihm fremd. Er horchte den leisen Stimmen nach, die unaufhörlich in seinem Innern raunten.
Du mußt ihn wegschaffen, so rasch wie möglich. Niemand darf ihn hier bei dir antreffen. Er würde dich sofort verraten. Allein sein Aussehen würde dir gefährlich werden.
„Wir fahren zu einem Arzt“, sagte er laut in die Stille. „Ich weiß einen verschwiegenen Doktor ganz in der Nähe. Halten Sie sich an mir fest.“
Jeff Frewin war alles recht. Er leistete keinen Widerstand. Die wahnsinnigen Schmerzen raubten ihm seine letzten Kräfte. Kraftlos und hinfällig klammerte er sich an Edward Clifton fest. Sie brauchten zehn Minuten, bis sie das Auto erreichten. Und dann verging noch einmal eine geraume Weile, bis sie endlich wegfahren konnten.
„Beißen Sie die Zähne zusammen“, zischte Edward Clifton.
„Wir werden bald da sein.“
In Wirklichkeit dachte er gar nicht daran, einen Arzt aufzusuchen. Was kümmerte ihn der Mann, der halb ohnmächtig in den Polstern lag. Die eigene Sicherheit war wichtiger. Er mußte retten, was noch zu retten war. Als er einmal zur Seite blickte, stellte er zu seinem Schrecken fest, daß er einen Sterbenden im Wagen hatte. Eine eisige Furcht kroch ihm über den Rücken. Ich muß ihn so bald wie möglich los werden, schoß es ihm durch den Kopf. Er ist ohnehin nicht mehr zu retten. Man darf ihn nicht in der Nähe von Richmond finden, sonst würden die Spuren direkt zu mir hinführen. Ich muß in eine stille, einsame Gegend fahren. Das tat er. In raschem Tempo fuhr er durch die Londoner Außenbezirke. Noch ehe er die Ortschaft Solon erreichte, war Jeff Frewin schon tot. Seine Augen standen halb offen und stierten leer und stumpf in Richtung der Windschutzscheibe. Es war ein schrecklicher Anblick.
Edward Clifton deckte ein Tuch über das verfallene Gesicht, um es nicht mehr sehen zu müssen. An einer Wegkreuzung hinter Solon hielt er den Wagen an. Dann machte er sich wie ein Aasgeier an seine schauerliche Arbeit. Er zerrte den regungslosen Körper vom Vordersitz und ließ ihn in den Straßengraben gleiten. Dann kümmerte er sich nicht weiter um das armselige Bündel. Dichte Flocken wirbelten auf Jeff Frewin nieder und deckten ihn mit einer weißen Flülle zu. Sein Körper hob sich kaum noch von der weißverschneiten Erde ab. Und trotzdem wurde er schon eine Stunde später von einer Nachtstreife aufgefunden.
2
Als Marion Clifton am nächsten Morgen erwachte, war es genau sieben Uhr. Im Zimmer herrschte noch graue Finsternis. Aber durch die Fenster stahl sich ein mattes Zwielicht, das der helle Schnee von den Nachbardächern ausstrahlte. Marion Clifton blickte rasch zur Seite und sah zu Edward hinüber. Er war während der Nacht heimgekommen, ohne daß sie ihn gehört hatte. Sie hatte das Empfinden, als sei er in dieser letzten Nacht ein völlig Fremder für sie geworden. Ein fremder Parfümgeruch strömte von ihm aus. Auch mußte er viel getrunken haben, sein Atem roch stark nach Alkohol. Er schlief unruhig. Immer wieder drehte er sich um. Sein Gesicht zuckte unaufhörlich. In diesem Augenblick läutete es an der Außentür. Das schrille Klingeln riß Edward Clifton von einer Sekunde zur anderen aus dem Schlaf. Er hob blinzelnd die verquollenen Lider. Sein Gesicht bekam einen erschreckten Ausdruck. Die Augen wurden groß und starr.
„Was ist?“, fragte er stockend. „Wie spät ist es? Sieh doch mal auf die Uhr!“
„Es hat geläutet“, sagte Marion tonlos. „Willst du nicht nachsehen, wer es ist?“
„Die Polizei“, murmelte Edward Clifton erstickt, „Es kann nur die Polizei sein. Wer könnte sonst um diese frühe Stunde kommen. Wir machen nicht auf, hörst du? Auf keinen Fall werden wir ihnen die Tür öffnen.“
Marion blickte ihn befremdet an. „Warum hast du Angst vor der Polizei?“, fragte sie argwöhnisch. „Willst du mir nicht erklären, warum du . . . ?“
„Schweig!“, zischte Edward Clifton nervös. Er hielt sich entsetzt die Ohren zu, als erneut ein gellendes Läuten durch die Wohnung schrillte. Sein Gesicht war weiß vor Furcht. „Nicht aufmachen!“, stöhnte er.
Aber Marion ließ sich nun nicht mehr zurückhalten. Sie stand auf, schlüpfte in ihren Morgenrock und ging in den Flur hinaus. Man hörte, wie sie die Tür öffnete und mit einem Fremden
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