Achtung BABY!
meinem eigenen Kind auf einen Spielplatz gehen, und dann gibt es für mich die Erlösung. Die Mütter werden mich als rechtmäßigen Vater erkennen, und ich werde feierlich in den fruchtbaren Teil der Gesellschaft aufgenommen. Sie werden Blumen werfen und Lobgesänge auf meine Vermehrung anstimmen. Nachts darauf hatte ich einen Albtraum: Ich ging an einem Dienstagnachmittag mit meinem eigenen Kind auf den hiesigenSpielplatz und drehte siegessicher mit dem Kinderwagen meine Runden. Meine Kreise hinterließen schon einen elliptischen Trampelpfad, doch die Mütter beäugten mich weiterhin skeptisch und steckten tuschelnd ihre Köpfe zusammen. Der Angriff stand kurz bevor. Plötzlich ergriff die Mutterführerin (darf man das so sagen?) das Wort und ließ meine Vision zerplatzen wie eine Seifenblase auf einem Kinderigel-Geburtstag: »Wahrscheinlich ist das einer, der seine Frau schon schwanger verlassen hat und jetzt unter der Woche mit dem Kind auf den Spielplatz geht, weil er am Wochenende mit seiner 19-jährigen Freundin zum Liebeswochenende nach Barcelona fliegt. Das ist keiner von uns!«
Ja, ein Spielplatz ist kein Kinderspielplatz. Mütter sind nicht wie bellende Hunde. Die wollen nicht nur spielen! Ich fragte mich, gibt es eigentlich den Film »Unter Geiern II«?
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Unter Bayern
Wenn meine Frau und ich früher nach zwei Wochen Urlaub wieder heimkamen, empfing uns oft die fürsorgliche Erwartungshaltung von Freunden und Familie: »Und???«
»Was, und?«
»Habt’s eins gemacht?«
Ich weiß auch nicht, was die alle immer geglaubt haben. Dass wir in den Urlaub fahren – und dann zwei Wochen jeden Tag 24 Stunden in die Hängematte und Hurraxdax, bis die Hebamme kommt? Beim Nachwuchsthema nervten am meisten die eigene Familie und die nähere Verwandtschaft. In Bayern hat das mit dem Nachwuchs ja immer noch so eine archaische Komponente. Bei uns steht die gesamte Verwandtschaft bei der Hochzeitsnacht ums Schlafzimmer herum und schlägt auf großen Trommeln den Fruchtbarkeitsrhythmus: »Bongo bongo bongo! Hö hö hö! Heilige Maria, Mutter Gottes hilf ihnen in dieser schweren Stund’! Bongo bongo bongo! Hö hö hö!«
Was sich da für ein Druck aufbaut! Ich habe von Paaren gehört, die sich wie in Trance ins Schlafzimmer begeben haben und dann im Takt der Trommeln loslegten: »Einen für die Oma, einen für den Opa, einen für die Mama, einen für den Papa …«
Und das ging so lange, bis die ganze Verwandtschaft durch war. Selbst weitläufig entfernt verwandte, fünftgradige Tanten und Cousinen von Tanten wurden in dieses Ritual mit eingebaut. Da kommt schon ein kleines Dorf zusammen. Wenn man in Bayern verheiratet ist, gibt es auch keine wirklicheEntscheidungsfreiheit mehr, ob man Kinder haben will. Man hat Kinder zu kriegen. Alles andere wäre unbayrisch. Oder schwul oder kommunistisch. Es gibt kein Entkommen vor den Zeugungsaufrufen der Familie. Manchmal läuten am Samstag um acht Uhr morgens die Zeugen Kinders, um über Gott und die Fruchtbarkeit zu sprechen.
Es gibt eine Geschichte, die das alles gut zusammenfasst. Sie hat sich wirklich so zugetragen und soll einen kleinen Einblick in die Gemütswelt eines bayrischen schwulen Kommunistenpärchens geben. Gudrun und ich waren 2003 zur Taufe des zweiten Kindes von Gudruns Bruder eingeladen, der mit seiner Frau aber erst fünf Jahre zusammen war. Wir hatten es bis dato schon auf dreizehn Beziehungsjahre gebracht – ohne Kind, wohlgemerkt. Alle Verwandten, die uns anblickten, hatten so was Musterndes im Blick. Ich hatte ähnlich intensives Anstarren nur einmal gesehen, nämlich in dem Film »Invasion der Körperfresser«. Da beäugten die von einem außerirdischen Virus veränderten Menschen alle anderen, die den Anschein machten, dass sie noch nicht »umgedreht« worden waren. Trotzdem hielten sich alle noch mit Baby-Kommentaren zurück. Ich wusste, da kommt noch was ganz Großes. Und tatsächlich: Alle unausgesprochenen Kommentare entluden sich in einem ganz bestimmten Moment. Wir standen in der Kirche, der Pfarrer war mitten in der Taufzeremonie, und während des eigentlichen Taufvorgangs drehte sich mein Schwiegervater zu mir um und fragte: »Und Michl? Host genau hingschaut, wia des geht?!«
Was willst du deinem Schwiegervater in so einem Moment antworten? So was wie: »Nein, wir ficken noch so rum?«
Gut, ich habe es gesagt. Ich gebe gerne zu, das war eine blöde Idee in der Kirche. Der Pfarrer war verstimmt und mischte sich ein: »Mäßigt
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