Achtung Kurven
abstoßen und durch ein neues Modell ersetzen solle. Lauter Dinge, die ihn überhaupt nichts angingen und über die niemand anders als der Chef selber zu entscheiden hatte. Er war so frei, ihr das auch zu sagen.
»Ach, Sie wissen doch, Heroldchen«, gurrte sie mit einem leidgeprüften Seufzer, »mit dem Mann kann man doch nicht reden. Wenn er zuviel intus hat, brüllt er, und hat er zuwenig, ist er stocksauer.« Und dabei spielte sie womöglich mit einem Knopf seiner Jacke und schnurrte so dicht um ihn herum, daß er die Wärme ihres üppigen Körpers spürte und das herbe, französische Parfüm einatmete, das sie neuerdings benutzte. Eines Tages brachte sie das pompös geschliffene Flakon ins Büro mit und betupfte sich mit dem Glasstöpsel die Ohrläppchen.
»Sie sind doch ein gebildeter Mensch, Herr Herold...«
Er wußte nicht, worauf sie hinaus wollte, und verzog das Gesicht zu einer verlegenen Grimasse.
»Immerhin haben Sie drei Semester Maschinenbau studiert... Weshalb haben Sie eigentlich nicht weitergemacht?«
Er hatte diese Frage so oft beantworten müssen, daß er an die Antwort, die er parat hielt, schon fast selber zu glauben begann. An den wahren Grund für die Aufgabe seines Studiums, unerfreuliche Verhältnisse, erinnerte er sich nur ungern.
»Mir gingen die Moneten aus, und der Erbonkel in Kanada schrieb mir, er hätte keine Lust, meinetwegen ins Gras zu beißen«, sagte er leichthin.
Sie schob ihm das bernsteinfarbene Kristallflakon über den Schreibtisch zu. Auf dem erhaben geprägten Etikett räkelte sich eine nackte Schönheit in der Haltung der Venus von Urbino auf einem schwarzen Bärenfell. Darunter stand in zierlichen Goldbuchstaben die Parfüm-Marke. Frau Bauersfeld zog mit dem rosig lackierten Fingernagel die Buchstaben nach: » Nuit d’Extase «, buchstabierte sie und sah ihn dabei aus Unschuldsaugen an, »das ist doch französisch, nicht wahr? Was heißt das eigentlich?«
Er fühlte, daß ihm das Blut in den Hals stieg.
»Keine Ahnung«, antwortete er grob, »als diese Vokabeln drankamen, hatte ich gerade die Masern.« Er ging an den Schrank, griff sich das Modell des Zweitaktmotors, das er für den Unterricht brauchte, und machte, daß er aus dem Büro verschwand. Er entsann sich allzu deutlich der kurzen Anspräche, die der Chef gehalten hatte, als er ihn vor einem halben Jahr für seine Fahrschule engagierte: »Also, junger Mann, Sie können morgen bei mir anfangen. Wieviel haben Sie in Stuttgart verdient?«
»Dreizehnhundert...«
»Sie kriegen bei mir vierzehn blaue. In Ordnung? Gut. Wenn ich ‘rauskriege, daß Sie mich beim Tanken begaunern, is Sense, klar?«
Das Wort Sense gehörte zu den Lieblingsausdrücken des Chefs. Er bezeichnete damit alles, was mit einem zumeist gewaltsamen Ende zusammenhing, und er begleitete das Wort mit einer säbelnden Handbewegung.
»Verraten Sie mir, wie das geht, Herr Bauersfeld...«
Der Dicke blinzelte trüb: »Wollen Sie mich für dumm verkaufen, Herold? Na also! Jedenfalls wissen Sie jetzt, was Ihnen blüht, wenn...«
»Sonst noch was, Chef?«
»Ja, auch sonst noch was«, röchelte der Alte, und diesesmal hob er den Blick und starrte Heinz Herold aus kleinen, hinter Fettwülsten versteckten wimperlosen Augen an: »Haben Sie mal ‘ne Katze gehabt, Herold?«
»Als Junge...«, stotterte Heinz Herold, von der Frage überrascht, mit der er nichts anzufangen wußte.
»Dann wissen Sie, wie Katzen sind. Sie spielen gern. Mit Wollknäueln und mit Mäusen. Meine Frau hat was von ‘ner Katze an sich. Sie spielt gern. Mit Mäuserichen. Wenn ich merke, daß Sie auf das Spiel eingehen, breche ich irgend jemand die Knochen. Klar?«
»Deutlicher ließ es sich kaum sagen...«
»Ich bin immer fürs Deutliche gewesen«, knurrte der Chef und wedelte kurz mit seiner dicken Hand, zum Zeichen, daß die Unterredung für ihn beendet sei und daß er allein gelassen zu werden wünsche.
Eines stand jedenfalls fest: Der Dicke hatte seine Warnungen an die falsche Adresse gerichtet. Der Katze gehörten die Krallen gestutzt, und nicht dem kleinen Mäuserich der Schnurrbart. Aber vor der Katze schien der Chef selber einen Heidenrespekt zu haben.
Rothe, dem er bei näherer Bekanntschaft eine Andeutung über das Gespräch mit dem Chef gemacht hatte, grinste nur. Ihn hatte der Alte bei der Einstellung in seinen Betrieb nur vor Benzingeschäften mit gefälligen Tankwarten gewarnt. Für die Dame des Hauses schien er bei Rothe keine Gefahr zu wittern.
»Verdammt
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