Achtung Kurven
Piepstimmchen und ließ das rechte Tor der Doppelgarage hochschwingen . Da stand er nun, der hübsche Karmann Ghia mit dem weißen Kabrioverdeck und den roten Lederpolstern, den Herr Direktor Jossa seinem Täubchen zum Weihnachtsfest unter den Christbaum gestellt hatte. Der Kilometerzähler im Tachometer stand auf der Zahl 00087…
»Fahren Sie den Wagen heraus, Herr Herold?«
»Sie sollten es selber versuchen, gnädige Frau.«
Frau Jossa maß die Breite der Garageneinfahrt mit einem mißtrauischen Blick. Der dickste amerikanische Straßenkreuzer hätte bequem aus- und einfahren können. Sie verschwand in der Garage, während Herold zur Straße ging, um die kunstvoll geschmiedeten Torflügel zu öffnen. Als er zurückkam, hörte er Frau Jossa innen orgeln. Schließlich sprang der Motor an, aber nur, um gequält aufzujaulen und mit einem Seufzer zu verenden.
»Das Luder geht nicht!« rief sie. Ihre Augenlider flatterten und auch die Pupillen schienen zu zittern.
»Versuchen Sie doch einmal, die Handbremse zu lösen, gnädige Frau«, schlug er höflich vor.
Frau Jossa starrte ihn sekundenlang an, dann stieß sie einen spitzen Schrei aus, einen Schrei, den Frauen hören lassen, die sich beim Kaufmann mit der Nachbarin über die Eierpreise empören und plötzlich an das Gulasch denken, das daheim über voller Flamme auf dem Gasherd steht. Sie versuchte es erneut und nun ging es endlich. Mit vier harten Rucken, die man nur mit kräftiger Halsmuskulatur und gesunden Bandscheiben heil überstand, gelang es ihr, den Wagen rückwärts aus der Garage zu stoßen. Herold nahm neben ihr Platz, Unangenehm war, daß der Privatwagen nicht die bei Schulfahrzeugen übliche doppelte Bremse und Kupplung besaß. Herold mußte sich auf die Handbremse verlassen und hielt die linke Hand lässig, in Wirklichkeit aber in höchster Alarmbereitschaft auf dem Schenkel. Man brauchte eiserne Nerven, um das eine halbe Stunde lang durchzuhalten, aber schließlich hatte er seine Nerven in dem Stahlband fünf harter Fahrschuljahre trainiert.
Das Haus lag auf dem Scheitelpunkt des Brüderberges. Man blickte über das breite Flußtal und über die Türme der Stadt hinweg. Ein schmaler und ziemlich steil abfallender Wohnweg führte, nur in einer Richtung befahrbar, vom Hause zur Hauptstraße. Bog man unten links ein, so konnte man auf dem sogenannten Unteren Brüderweg in einer weitgeschwungenen Kurve, die bald wieder bergan stieg, zur Villa Jossa zurückfahren. Bergab machte Frau Jossa ihre Sache recht gut, sie stoppte auch vorschriftsmäßig vor dem blauen Haltegebotsschild, bog dann links ein und nahm den ansteigenden Weg mit kühnem Schwung, aber vor der Steilkurve, nach der es wieder fast eben auf dem Hügelkamm zum Hause zurückging, gebot Heinz Herold seiner Schülerin ein energisches Halt und zog, da Frau Jossa durchaus nicht stoppen wollte, die Handbremse.
»Erstens war das Tempo für die scharfe Kurve zu hoch, gnädige Frau, und zweitens sind wir doch ausgezogen, um das elegante Anfahren am Berg zu üben.«
»Es würde mir nie einfallen, an einem Berg zu halten!« sagte Frau Jossa empört.
»Es gibt viele Möglichkeiten, die Sie zwingen können, am Berg zu halten. Ich appelliere an Ihre Phantasie, gnädige Frau. Stellen Sie sich vor, es begegnet Ihnen hier eine Schafherde oder ein ganzer Kindergarten, lauter süße kleine Mädchen mit Blümchen in den Händen...«
»Sie gehen mir auf die Nerven!« sagte Frau Jossa böse.
»Ich kenne schlimmere Nerventöter als mich«, grinste Heinz Herold liebenswürdig, »zum Beispiel Herrn Schindler.«
»Hören Sie um Himmels willen auf!« stöhnte Frau Jossa , »der Mensch verursacht mir seit Jahren Alpträume.«
Ingenieur Schindler vom Technischen Überwachungsverein war der Mann, der die Fahrprüfungen abnahm. Er hatte Frau Jossa dreimal durchfallen lassen. Ein übellauniger, unangenehmer Mensch, der die Prüfungskandidaten grob anschnauzte und beim geringsten Fehler rigoros auf die Straße setzte. Nicht nur die Fahrschüler, auch die Fahrlehrer bekamen ein flaues Gefühl im Magen, wenn Ingenieur Schindler am Prüfungstag erschien, um sich stumm, mit hochgeschlagenem Mantelkragen, auf den Rücksitz zu drücken.
»Dann also los, gnädige Frau, die Kupplung durchtreten, den ersten Gang einlegen, Gas geben und langsam auskuppeln, während Sie gleichzeitig die Handbremse lösen...«
»Und das alles mit zwei Händen und zwei Füßen!« sagte Frau Jossa schrill. »Diese Kerle sollen nicht an
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