Adamas Freunde (Nicht von hier) (German Edition)
Hinterteil und seufzte, dann setzten sich seine Finger in
Bewegung und trommelten im Takt der Musik auf die Tischplatte. Die Spannung, die seit
der seltsamen Befreiungsaktion auf ihnen gelegen hatte, löste sich allmählich. Sie
lächelten sich an und tranken aus ihren Tassen. In einer Ecke tanzten zwei Männer und
klatschten. Adama schloss die Augen und überließ seine Gedanken dem Rhythmus des
Liedes. Warum konnte er nicht für immer hier bleiben, in diesem kleinen Café, das
seiner Heimat näher war als jeder andere Ort? Er sog die Luft ein und stellte sich den
trockenen, erdigen Duft der Steppe vor, er glaubte, den Sand an seinen Fingerspitzen
zu fühlen. Heute Abend mussten sie wieder in ihre schäbige Bude in die Rue de
Lorraine zurück, in der die Tapeten von den Wänden fielen und das Husten, Spucken,
Weinen, Furzen und Stöhnen der Mitbewohner aus Lettland, Marokko oder Pakistan
durch die hauchdünnen Wände drang. Die Gerüche des Marktes von Bamako mit
seinen Gewürzen und Früchten, der Duft der gebratenen Ziegen, all das fehlte ihm,
sogar das verschämte Lächeln der Frauen, obwohl er ihnen nie große Beachtung
geschenkt hatte. Hier war er zwar frei - und doch gefangen. Es gab keinen Unterschied
zwischen Paris und seiner von Rebellen bedrohten Heimat. Diese Erkenntnis
schockierte ihn. Als er die Augen öffnete, drehten sich die Männer und wippten mit den
Oberkörpern, gedankenverloren, versunken in ihren Tanz. Ihnen und ihm selbst blieb
nur dieses kleine, etwas heruntergekommene Café und – Modibo.
Als Jean Luc sich mit einem Ächzen erhob, war das Zimmer leer. Er ging zur offenen
Tür und schaute auf den Flur hinaus. Stimmen hallten im Treppenhaus wider. Er fasste
sich wieder ans Kinn. Die beiden Idioten hatten einen verdammt guten Schlag. Unter
anderen Umständen hätte er ihnen Saures gegeben, doch so nackt und überrumpelt
hatte er sich noch nie wiedergefunden. Adama, dieser schöne, lustvolle, afrikanische
Liebesgott! Es hatte sich so gut angelassen und nun das! Er hatte Prügel bezogen, weil
Adama sich mit dem Coming out zierte wie eine Jungfrau. Wahrscheinlich jammerte er
seinem Freund gerade wegen einer Vergewaltigung die Ohren voll. Mit einem
Kopfschütteln betrat er das Bad und wusch sich an einem lächerlich kleinen
Waschbecken Gesicht und Hände. Die Lust aufs Duschen war ihm vergangen. Lieber
hätte er mit Adama unter dem Wasserstrahl gestanden, ihm sanft den Oberkörper nach
vorn gebeugt und …
„Merde“, murmelte Jean Luc in das Handtuch hinein und trocknete sich ab. Ein letztes
Mal ließ er sich auf dem Bett nieder, seine Finger strichen über die Decke. Er musste
den beiden eine Lektion erteilen. Adama nahm sich eindeutig zu viel heraus, das konnte
er nicht durchgehen lassen. Zuerst hielt er ihn zwei Tage lang hin, sodass ihm nur beim
Gedanken an Adamas stolzes, dunkles Gesicht das Wasser im Mund
zusammengelaufen war, dann schlug er ihn halb bewusstlos und verschwand. Heute
würde er ihn nicht wieder sehen, bestimmt verzog er sich in die Banlieu, doch morgen
bestand die geringe Chance, dass er am Sacre Coeur auftauchen würde.
Gerade hatte er sich angekleidet, als sein portable zu vibrieren begann. Beim Blick auf
die angezeigte Nummer verdrehte er die Augen.
„Sous brigadier Fenayon am Apparat.“
Er lauschte eine Weile, nagte an den Lippen und fragte:
„Also St. Denis. Abdul Tamerballah, gut. Welche Kollegen wissen Bescheid?“
Als er die Antwort auf seine Frage hörte, verkniff er sich ein Seufzen.
„Verstanden, mon capitaine, ich sage ihm Bescheid.“
Als er aufgelegt hatte, war Adama vergessen. Eine Abkommandierung zu den Kollegen
der Police Nationale. Abdul Tamerballah, dieser Name kam ihm vage bekannt vor.
Seitdem er vor zwei Monaten von Lyon aus den Sprung nach Paris geschafft hatte,
waren ihm einige Kontakte geläufig und entsprechende Einnahmequellen ergiebig. Doch
Abduls Name schwebte im Dunstkreis einiger anderer Drogendealer. Sein übereifriger
Kollege Duval würde ihn bald mit Informationen versorgen. Er zog die Tür des
Hotelzimmers hinter sich zu. Steif und ungelenk wegen der noch schmerzenden Rippen
stieg er die Treppe hinab und nahm seinen unterbrochenen Dienst wieder auf.
Die Matratze schien härter als gewohnt zu sein. Wie er sich auch drehte, ständig spürte
Adama einen Schmerz im Kreuz oder an den Hüften. Noch einmal rollte er sich auf die
andere Seite und umklammerte sein Kissen. Aus dem Wohnzimmer erklang Modibos
Schnarchen. Adama seufzte und kehrte
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