Adamas Freunde (Nicht von hier) (German Edition)
Schuldigkeit getan und sich brav gebückt, er konnte gehen. Nah an die
Außenwand gelehnt, überließ er sich dem Rütteln und Rattern des Waggons.
Es war bereits dunkel, als Modibo und Adama von einem Erkundungsgang in den
Louvre-Gärten zurückkamen. Morgen würden sie dort ihre Decken ausbreiten und die
Touristen anlocken. Sie hatten natürlich noch mit Gabriela geschäkert, bevor sie sich auf
den Heimweg gemacht hatten. Modibo war guter Laune, denn Adama war aufgekratzt
und bot keineswegs das Bild eines vergewaltigten Opfers. Der Weg von der Station St.
Denis Université bis zur Rue Lorraine war in fünf Minuten Fußmarsch zu bewältigen. Die
dunklen Bäume des Parc des Buttes Chaumont ragten in die Höhe, nur übertroffen von
den Schatten der Wohntürme in der Ferne. Die Zweige hingen tief über dem Gitterzaun.
Plaudernd passierten sie den Park und tauchten in die Dunkelheit ein. Fahrzeuge
parkten am Straßenrand, hier und dort flackerte bläuliches Fernsehlicht aus den
Fenstern der fünfstöckigen Wohngebäude. Modibo blieb plötzlich stehen.
„Adama, warte, hier in der Rue de Crimée wohnt Abdul. Ich lauf eben rein und sage ihm
Bescheid, dass er uns morgen am Louvre finden kann. Geh ruhig schon heim, ich
komme dann nach.“
Mit einem Handschlag trennten sie sich und bald war von Modibo nichts mehr zu sehen.
Adama schlenderte weiter und genoss die sich abkühlende Nachtluft. Nach einer Minute
hielt er inne, denn an der Ampelkreuzung, die sich vor ihm befand, stand ein Mann auf
dem Gehweg. Die Statur, die Kleidung, alles kam Adama so bekannt vor, dass sich sein
Puls beschleunigte und er sich unwillkürlich unter die dunklen Äste der Parkbäume
drückte. Jean Luc wartete dort und beachtete ihn nicht. Das Licht einer Straßenlaterne
fiel auf sein Gesicht. Er rauchte natürlich. Schritte erklangen neben Adama, sodass er
widerwillig seinen Blick von Jean Luc abwandte. Eine Gestalt strebte auf der anderen
Straßenseite der Ampelkreuzung zu. Adama vermochte sie nicht genau erkennen, denn
während der Grünphase rauschten zwei Lieferwagen vorbei, ehe Adama den Mann
näher betrachten konnte. Als er wieder zur Ampel schaute, war Jean Luc
verschwunden. Er sah gerade noch, wie er den weiten Innenhof eines Wohnsilos betrat.
Adama ging weiter, er wollte nachsehen, was Jean Luc dort trieb. Offensichtlich war er
nicht auf dem Weg in die Rue Lorraine, um ihn zu besuchen. Adama zuckte zusammen
– zwei Schüsse peitschten durch die Nacht, ganz in der Nähe, ein Schrei gellte in seinen
Ohren. Sofort stiegen Bilder in ihm auf: Männer, die ihre staubigen Turbane gekonnt
nachlässig um ihren Kopf geschlungen hatten, Zigaretten in den Mundwinkeln, die
Schnellfeuergewehre auf dem Knie abgestützt, während sie auf der Ladefläche eines
Lkw ihrem neuen Ziel entgegen fuhren, durch Buschwerk und verbrannte Erde. Obwohl
sich alles in ihm wehrte, eilte Adama wie an einer Schnur gezogen zur Straßenecke.
Das ist Paris, nicht Kidal, nicht Kidal, flüsterte er seine Angst fort und schob an der
Hauswand schließlich seinen Kopf vorsichtig um die Ecke. Dort auf dem Hausparkplatz,
beleucht vom Licht des Eingangs, sank Jean Luc gerade auf die Knie, die Augen waren
weit aufgerissen, er hielt sich den Oberkörper fest und sackte zusammen. Erschüttert
reckte Adama den rechten Arm und zeigte auf die kauernde Gestalt, als wolle er die
ganze Welt auf Jean Lucs Qual aufmerksam machen. Niemand war zu sehen, niemand
schaute hin. Adama glaubte, Blut und rauchige Luft zu riechen. Sein Herz hämmerte
gegen die Brust, er hatte Angst zu ersticken und lehnte sich gegen die Wand, während
er langsam den Arm sinken ließ. Ein Prickeln überzog seine Kopfhaut. Er wippte auf den
Zehenspitzen, als setzte er zu einem Spurt an. Er musste doch helfen, Jean Luc war in
großer Gefahr. Gerade als er sich in Bewegung setzen wollte, prallte ein Körper auf ihn
und ließ ihn zurücktaumeln. Modibo - mit entschlossenem Gesicht und flackerndem
Blick.
„Komm, weg hier. Du bist wohl verrückt, hier herumzustehen!“
Modibo zog ihn fort, er stolperte hinter ihm her und drehte immer wieder seinen Kopf zu
Jean Luc um.
„Aber – aber Jean Luc!“ kam es gepresst aus seinem Mund. Er wollte zu ihm, ihn
umarmen und aufrichten, doch plötzlich übermannte ihn eine Erkenntnis: Modibo war
aufgetaucht und hatte keineswegs vor, dem Polizisten zu helfen. Wieso war er hier? Mit
einem Mal erinnerte Adama sich an das gestrige Gespräch. Hatte Modibo etwa seine
Absicht in die Tat
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