Adamas Freunde (Nicht von hier) (German Edition)
zurück zu Jean Luc und seiner hellen,
schweißigen Haut. Das Erlebnis war voller unausgesprochener Verheißung gewesen,
sie waren erst am Anfang und da gab es noch so einige Dinge, die sie miteinander tun
konnten. Wenn da nicht ein Dorn in seinem Fleisch wäre. Modibo. Wie sollte er sich
ungezwungen amüsieren, wenn ihm Modibo wie ein Stein auf dem Herzen lag? Die
Heimlichtuerei verabscheute er, sie hing ihm zum Hals heraus. Sie war schließlich auch
ein Grund dafür gewesen, das homophobe Mali zu verlassen. Diskretion, das war gut
und schön, das gab es auch hier in Paris, aber niemand regte sich wie zuhause
gefährlich darüber auf, wenn jemand schwul war. Modibo jedoch war einer von diesen
Menschen. Adama durfte sich ihm nicht offenbaren, es war unmöglich und er stellte sich
die Reaktion seines Freundes lieber erst gar nicht vor. Er drehte das Kissen auf die
kühle Seite. Sollte er sich outen oder nicht? Wollte er ohne Modibo in Paris überleben?
Modibo hatte ihm den Start ermöglicht, er war ihm zu Dank verpflichtet. Auf ihn konnte
er zählen. Es gab keine andere Möglichkeit, jedenfalls nicht im Moment. Ihm blieb nichts
anderes übrig als Verstellung, Lüge, Täuschung.
Am nächsten Morgen schaute Modibo in den Küchenschrank, dessen Tür nur an einem
Scharnier hing. Kein Brot mehr da. Mit Wucht rammte er die Klappe wieder ins Schloss
und wandte sich der Packung Cornflakes zu. Die Milch war haltbar und dazu ungeöffnet.
Er riss den Verschluss auf und machte sich eine Schüssel für das Frühstück zurecht, die
er mit zur Wohnzimmercouch nahm, auf der er genächtigt hatte. Er schob die dünne
Decke zur Seite und setzte sich mit breit gespreizten Beinen an den niedrigen Tisch.
Schlürfend und kauend mampfte er, die Milch tropfte auf die Tischplatte.
Gedankenverloren wischte er sie weg. Gleich musste er zu Abdul. Er brauchte von ihm
den Namen des Kontaktmannes für die Gärten des Louvre. Natürlich würde Jean Luc
vermuten, dass sie nun dort ihre Billigartikel verkaufen, aber es wäre zu provozierend,
praktisch Selbstmord, am Sacre Coeur weiterzumachen. In dem weitläufigen LouvrePark hatte man immerhin eine gute Aussicht auf die berittenen Polizisten, die Fußstreife
oder auf die Streifenwagen, die sich langsam anschlichen. Zwischen den Beeten und
Bäumen konnte man im Nu verschwinden und in die angrenzenden Straßen abtauchen.
Sie durften nicht aufgeben. Adama hatte genug durchgemacht gestern. Er wollte sich
gar nicht vorstellen, wie sehr sein Freund gezittert haben musste, wie groß seine Scham
gewesen war und die Angst, von einem brutalen Kerl in den Hintern gefickt zu werden.
Modibo schüttelte sich unwillkürlich und lauschte. Adama schlief wie ein Baby, als hätte
es den gestrigen Zwischenfall nie gegeben. Er nahm sich trotzdem vor, in den nächsten
Tagen besonders achtsam mit ihm umzugehen und ihn zu schonen. Der Name Jean
Luc sollte nie wieder Adamas Ohren erreichen. Irgendwie musste es ihnen gelingen, aus
dieser Bredouille herauszukommen. Sollten sie nach Marseille gehen oder nach Nizza?
Dort war es ohnehin wärmer. Doch dort gab es keinen Eiffelturm, keinen Louvre, keine
sicheren Verbindungen zwischen ihnen. Seine Augen wanderten zum Fenster, durch
dessen staubige Schlieren man nur die gegenüberliegenden Wohnblöcke sehen konnte.
Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, Jean Luc für immer loszuwerden. Modibo kratzte
die Schüssel aus und dachte nach, doch sein Kopf war leer wie ein altes Fass, seine
Gedanken drehten sich im Kreis. Vielleicht würde Gabriela ihm einen Kaffee spendieren.
Behutsam ging er zu Adamas Zimmer und schob die Tür auf. Leise kniete er sich vor ihn
hin und betrachtete das Gesicht seines Freundes, das ihm schmal und edel erschien
wie das eines Ifogha-Stammesfürsten. Kein Wunder, dass selbst schwule Schweine wie
Jean Luc Interesse an ihm zeigten. Sanft legte er ihm die Hand auf die Schultern,
Adama schlug die Augen auf und starrte ins Leere, bevor ihm bewusst wurde, wo er
war.
„Ich gehe zu Gabriela, dann bringe ich Brot und Kuskus mit.“
„I ni sOgOma.“
„Ja, dir auch einen Guten Morgen, Adama. I ka kEnE?“
„Ja, mir geht es gut. Wirklich“, flüsterte Adama und schloss die Augen mit einem
Lächeln.
Modibo ging hinaus. Sein Herz war leicht. Irgendwie würde sie es schaffen.
Ein seltsames Gefühl, den Platz des Sacre Coeur zu betreten, ohne einen Sack
mitzuschleppen. Eine andere Perspektive, einmal vor der Kirche zu stehen und seine
Kollegen bei der Arbeit zu beobachten.
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