Admiral Bolithos Erbe
Schiff der Reihe hält.«
Inch nickte, aber sein Gesicht verriet, daß er nichts begriff.
»Sir?«
»Wenn wir angreifen, ohne auf unsere anderen Schiffe zu warten, will der französische Admiral offenbar die Schlachtlinie teilen und uns von beiden Seiten in die Zange nehmen.«
Inch fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Während die drei letzten Schiffe sich zunächst zurückhalten und auf den Kommodore warten.«
Stirling rief:
»Rapi
d
hat bestätigt, Sir.«
Allday stieg auf die Hüttendecksleiter und spähte achteraus.
Benbo
w
schien noch sehr weit weg zu sein. Taktisch richtig kreuzte Herrick mit langen Schlägen in die Bucht, damit er zuletzt wenden, abfallen und mit günstigem achterlichem Wind angreifen konnte. Aber das alles brauchte furchtbar viel Zeit.
Ein dumpfer Knall hallte herüber, und mit gut einer Meile Abstand schlug die Kugel ins Wasser. Der Kommandant des ersten Franzosen hatte eine Bugkanone abfeuern lassen, wahrscheinlich nur, um die Spannung des Wartens zu brechen.
Es mußte ihn nervös machen, den Admiral so im Nacken zu haben, überlegte Allday; jeder Zug, den er wagte, wurde mit kritischen Augen beobachtet.
Dann wandte Allday sich ab und ließ den Blick über das mit Menschen vollgepackte Deck der
Odi
n
schweifen. Von denen da unten würde kaum einer auf den Beinen bleiben, wenn die Falle der Franzosen hinter ihnen zuklappte und sie von jeder Hilfe abschnitt. Oder war genau das Bolithos Absicht? Sich zu opfern, den Feind dabei aber so zu schwächen, daß Herrick nur einen ihm gleichwertigen Rest vorfinden würde, sobald er erst heran war?
»Allmächtiger Gott!« entfuhr es ihm.
Ein Sergeant der Seesoldaten, der mit seinen Scharfschützen in der Nähe wartete, wandte sich grinsend nach Allday um.
»Nervös, Kamerad?« fragte er.
Allday zog eine Grimasse. »Nicht die Spur. Ich finde nur kein ruhiges Plätzchen für meinen Mittagsschlaf.«
Aber dann fuhr er doch zusammen, als er Inch zum Master sagen hörte: »Mr. M’Ewan, sobald wir auf eine halbe Kabellänge heran sind, will der Konteradmiral anluven. Danach wenden wir und greifen das zweite Schiff in der französischen Schlachtlinie an.«
Der Master nickte so krampfhaft, als würde sein Kopf von Marionettenfäden gezogen.
»Was soll das nun wieder bedeuten?« zischte der Sergeant.
Aber Allday antwortete ihm nicht. Er verschränkte die Arme und bemühte sich, das Gehörte zu verdauen.
Odi
n
würde also anluven und dann praktisch vor dem Bugspriet des Gegners in den Wind drehen. Dann hoffte sie zu wenden und zwischen den beiden ersten Linienschiffen durchzustoßen. Wenn alles gutging. Es war ein riskantes Manöver, bei dem
Odi
n
binnen weniger Minuten zu einem hilflosen Trümmerhaufen zusammengeschossen werden
konnte. Aber alles war besser, als gleichzeitig von beiden Seiten unter Nahbeschuß zu geraten.
Schließlich bequemte er sich doch zu einer Antwort. »Es bedeutet, mein scharfsinniger Freund, daß du mit deinen Leuten bald eine Menge zu tun kriegst.«
Bolitho ließ die ansegelnde Schlachtlinie nicht aus den Augen, lauerte auf jedes Anzeichen, auf ein blitzschnelles Flaggensignal, mit dem Rémond seinen plötzlich erwachten Verdacht verraten könnte. Sicherlich mußte er doch auf eine Überraschung gefaßt sein? Weshalb sonst würde sich ein leichtes Linienschiff mit nur 64 Kanonen fünf mächtigen Kriegsschiffen stellen?
Er erinnerte sich an Rémonds dunkles, ledernes Gesicht, seine intelligenten Augen.
Dann befahl er: »Kapitän Inch, lassen Sie die untere Batterie mit Doppelkugeln laden. Und die Achtzehnpfünder des Oberdecks bitte mit Kettenkugeln.« Er hielt Inchs Blick fest. »Wenn wir anluven, muß das erste Schiff entmastet sein.«
Dann blickte er zum Großmaststander auf. Der Wind blieb stetig in Richtung und Stärke. Gut. Fast hätte er sich umgedreht und achteraus gespäht, bremste sich aber gerade noch rechtzeitig. Die Offiziere und Mannschaften seiner Umgebung hätten dies als Unsicherheit mißverstanden, als blicke ihr Oberbefehlshaber sich hilfesuchend um. Am besten strich er Herrick ganz aus seinen Gedanken. Der tat bestimmt sein Bestes.
Graham, der Erste Offizier, baute sich grüßend vor Inch auf.
»Dürfen die Trommler und Pfeifer wegtreten, Sir?«
Bolitho warf einen schnellen Blick auf die rot uniformierten Musikanten. Er hatte sich so konzentriert, daß kein Ton ihrer Instrumente an sein Ohr gedrungen war.
Dankbar hastete der Musikzug unter Deck, von einem Chor höhnischer Stimmen
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