2945 - Sterben geht ganz einfach
Das Erste, was wir von Antonio Monti sahen, war der nackte Hintern, den er uns entgegenreckte. Er tat das nicht aus Unhöflichkeit oder um seine Verachtung für Polizisten aller Art zu zeigen. Monti tat überhaupt nichts mehr. Er hing nur über dem Rand der leeren Badewanne, seine Knie berührten noch den Boden, sein Oberkörper, die Arme und der Kopf hingen in der Wanne.
»Darf ich ihn mir ansehen?«, fragte Phil.
Lieutenant Donovan, ein untersetzter grauhaariger Mann, der knapp vor der Pensionierung stand, nickte.
»Wir sind mit der Untersuchung des Tatorts so gut wie fertig. Auch der Doc hat seine Arbeit vorerst beendet. Drei Kugeln in den Rücken, abgegeben aus einer Entfernung von etwa fünf Yards. Der Mörder stand wohl dort drüben in der Tür, die vom Wohnraum hierher in das Badezimmer führt.«
Phil sah die Einschusslöcher im Rücken des Toten, aber kaum Blut. Ein Laie hätte sich über diese geringe Anzahl von Blutstropfen gewundert, aber Tote bluten nun mal kaum. Ihr Herz schlägt nicht mehr und befördert deshalb kein Blut mehr durch die Adern.
»Ich glaube, er ist vor seinem Mörder hierher ins Badezimmer geflohen«, sagte Lieutenant Donovan.
»Eine Badewanne ist ein guter Schutz gegen Kugeln«, nickte ich. »Aber trotzdem scheint mir Ihre Vermutung nicht ganz einleuchtend. Wenn er geflohen wäre, hätte er die Badezimmertür hinter sich zugeschlagen und neben der Tür Deckung gesucht.«
»Er war in Panik«, widersprach Donovan. »Ein unbewaffneter, splitternackter Mann fühlt sich entsetzlich hilflos, wenn plötzlich ein Kerl mit einer großkalibrigen Kanone vor ihm auftaucht. Er rennt um sein Leben, ohne lange nachzudenken.«
»Monti war einer der hartgesottensten Gangsterbosse in ganz New York. Hatte seine bemerkenswerte Karriere als Schläger und Killer begonnen. Ein solcher Bursche gerät nicht so leicht in Panik. Ich schätze, dass er seit seinem siebten Lebensjahr nicht eine Sekunde lang unbewaffnet war.«
»Wir haben in der ganzen Suite nicht eine einzige Waffe gefunden. Das ist ungewöhnlich für einen Gangsterboss, das gebe ich zu. Aber meine Leute haben bestimmt nichts übersehen.«
»Monti hat offenbar keinerlei Gefahr befürchtet«, meinte Phil. »Entweder hat er keinen Besucher erwartet oder jemanden, dem er vertraute. Vielleicht eine seiner blutjungen Gespielinnen.«
»Möglich«, stimmte Lieutenant Donovan zu. »Es heißt, dass er minderjährige Mädchen bevorzugte.«
»Keine seiner Freundinnen war älter als sechzehn. Erwachsenen Frauen traute er nicht über den Weg. Sie waren ihm zu raffiniert und zu hinterhältig. Der Mann war dreimal geschieden. Jede dieser Scheidungen hat ihn ein Vermögen gekostet.«
»Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, der zu Monti wollte, musste an Montis Leibwächter Ralph Benton vorbei«, überlegte ich laut. »Mit diesem Burschen würde ich gern sprechen.«
»Er wartet im Nebenzimmer«, sagte Donovan.
Das überraschte mich. Wer einen Gangsterboss ermorden will, muss erst dessen Leibwächter aus dem Weg schaffen. Wenn der Bodyguard versagt, treffen ihn die ersten Kugeln. Mit anderen Worten: Er ist tot. Wenn er noch lebt, kann das nur bedeuten, dass er mit den Mördern unter einer Decke steckt. In diesem Fall verschwindet er sofort nach der Tat. Nicht etwa, weil er Angst vor der Polizei hätte. Viel mehr als die Polizei fürchtet er die Rache der Freunde seines ermordeten Bosses.
Benton saß in einem Sessel im Nebenzimmer, kaute hingebungsvoll einen Kaugummi, hatte die Hände über dem Leib gefaltet und sah mit einem breiten Grinsen zu dem Cop hinüber, den Lieutenant Donovan zu seiner Bewachung abgestellt hatte.
Er schien nicht im Geringsten besorgt zu sein. Im Gegensatz zu dem Cop, dem es offenbar unangenehm war, dem Leibwächter eines Gangsters nahe zu sein. Er schien zu befürchten, dass der Bursche ihm gleich seinen Kaugummi ins Gesicht spucken würde.
Als wir eintraten, blickte Benton uns vergnügt entgegen. Dann beschloss er aufzustehen.
Er sah genau so aus, wie man sich den Bodyguard eines Gangsters vorstellt. Hoch wie eine Tür, breit wie ein Schrank, mit dem Brustkorb eines Gorillas und einem Gesicht, das wie aus Granit gemeißelt schien.
»Sie sind also Montis Leibwächter«, sagte ich.
Der Gorilla zog indigniert die linke Augenbraue hoch.
»Ich bin sein Sekretär«, sagte er.
Ich verschwendete keine Zeit damit, seine Behauptung zu bezweifeln. »Als sein Sekretär kannten Sie doch sicherlich seinen Terminkalender?«
»Klar«,
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