Admiral Bolithos Erbe
Achseln. »Vielleicht Markttag.« Allday nickte und verkniff sich ein Grinsen. »Das wird’s wohl sein, Sir.«
Vor dem Portal verhielt Bolitho und lächelte den erwartungsvollen Gesichtern zu. Einige davon kannte er, sie gehörten Menschen, mit denen er aufgewachsen war. Andere waren ihm fremd, sie mußten aus den Dörfern der Umgebung, ja sogar aus Plymouth gekommen sein.
Mochten die Politiker und die Admiralität denken und handeln, wie sie wollten, für diese Bürger hier war es ein besonderer Tag. Denn wieder einmal war Richard Bolitho gesund in das graue Haus unterhalb von Pendennis Castle heimgekehrt: kein Fremder, sondern einer von ihnen.
Die Kirchturmuhr schlug, und Bolitho flüsterte Herrick zu: »Laß uns hineingehen, Thomas.«
Herrick tauschte mit Browne einen belustigten Blick. Noch nie hatten sie Bolitho so verlegen gesehen.
Das Portal öffnete sich, und wieder wurde Bolithos emotionales Gleichgewicht erschüttert: Das Kirchenschiff war voller Me nschen. Als Bolitho an ihnen vorbei nach vorn schritt, erkannte er darunter viele Matrosen und Offiziere seines Geschwaders. Eine ganze Reihe nahmen seine Kommandanten ein, die mit ihren Frauen und sogar mit Kindern erschienen waren. Inch saß da, einen Arm in der Schlinge, zusammen mit seiner hübschen Frau. Verriker, der wie stets den Kopf leicht schräg hielt, damit er nichts überhörte. Auch Valentine Keen, dessen
Nicato
r
das letzte Franzosenschiff bis vor die Rohre der Küstenbatterie verfolgt hatte. Dann Duncan und Lapish, auch Lockhart von
Ganymede
.
Nancy, Bolithos jüngere Schwester, stand neben ihrem Mann, dem Richter. Schon tupfte sie sich die Tränen von den Wangen, lächelte aber zur gleichen Zeit, und sogar ihr gestrenger Gemahl sah ausnahmsweise zufrieden aus. Einige von ihnen mußten sich an jenen Tag vor sieben Jahren erinnern, als Richard Bolitho, damals noch Kapitän wie sie jetzt, hier auf seine erste Frau gewartet hatte. Bolitho sah sich nach Herrick um. Allday hatte sich zurückgezogen, und Browne stand neben Dulcie Herrick, deren Hand auf seinem Ärmel ruhte. »Tja, alter Freund, da hat man uns nun allein gelassen.« Herrick mußte lächeln. »Aber bestimmt nicht für lange.«
Auch seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit, was sich an diesem Ort eben schwer vermeiden ließ. Die Wandtafeln hinter der Kanzel, die alle den Namen eines Bolitho trugen, erzählten die Familiengeschichte: angefangen von Kapitän Julius Bolitho, der in Falmouth zu Tode gekommen war, als er gegen die Roundheads kämpfte, die Pendennis Castle abriegelten. Und ganz unten eine einfache Platte mit der Inschrift: »Leutnant Hugo Bolitho, geboren 1752, gestorben 1782.« Dicht daneben hing eine andere, die nach Herricks Schätzung erst vor kurzem angebracht worden war: »Zum Gedenken an Mr. Selby, Steuermann auf seiner Majestät Linienschiff
Hyperion
,
1795.«
Ja, hier wurde einem das Vergessen wirklich schwergemacht. Dann sah er, daß Bolitho sich straffte und dem Seitenschiff zuwandte, wo eine Tür sich geöffnet hatte.
Die Orgel begann zu spielen, und ein Raunen der Erwartung ging durch das Kirchenschiff, als Leutnant Adam Pascoe mit Bolithos Braut am Arm langsam zum Altar schritt. Bolitho vermochte den Blick nicht abzuwenden aus Angst, ihm könnte ein Detail entgehen. Denn Belinda war überwältigend schön, und Adam mußte so aussehen wie er selbst in seiner Jugend.
Dann sah er, daß Belinda den Blick zu ihm hob und ihn anlächelte. Er reichte ihr die Hand und führte sie die letzten Stufen zum Altar hinauf. Sanft drückte sie seine Hand, und Herrick hörte, wie er ihr zuflüsterte: »Endlich haben wir Frieden.«
Dann schritt auch Herrick die Stufen hinan und stellte sich neben das Paar. Er bezweifelte, daß auch nur einer unter den Zuhörern verstand, was Bolitho mit diesem letzten Satz gemeint hatte. Daß er selbst nur zu gut verstand, machte ihn stolz.
Ende
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