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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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was die Alternative wäre. Da wäre es schon besser, zu den Amis überzulaufen oder sich in den Städten zu verkriechen und auf sich selbst gestellt zu sein.
    »Ich glaube, es wird Zeit, dass ihr seht, wofür wir gekämpft haben, und damit umzugehen lernt«, erklärte Vielgorski.
    »Ich habe keine Lust, es wie Mirski zu machen«, erwiderte Belozerski. »Mir ist dieses Haus schnuppe.«
    »Genosse«, sagte Vielgorski geduldig, »Wissen ist Macht. Wollt ihr unwissender als der Rest sein? Ich bin drin gewesen und bin nach wie vor Vielgorski, nach wie vor Parteisekretär.«
    »Ja …«, meinte Jazikow. »Ich fürchte mich nicht.«
    »Ich auch nicht«, beeilte sich Belozerski zu sagen, »aber …«
    »Also gehen wir hinein, und sehen wir uns mal an, was Mirski da die ganze Zeit getrieben hat.«
    Mirski richtete die Videokameras auf sie, bis sie aus dem Blickfeld verschwanden. Es stand noch etwas auf dem Spiel. War es möglich, den Charakter des eigenen Vaterlands falsch einzuschätzen? Ja, es fehlte die Grundlage für einen Vergleich, und mochte er auch davon überzeugt sein, so entbehrte seine Überzeugung ohne Vergleichsmöglichkeit jeder Grundlage. Trotz des Wissens aus der Bibliothek musste er ein Experiment durchführen.
    So unfair die Prüfung auch sein mochte, er wollte sein Land und alles, wofür es stand, an Vielgorskis Verhalten messen.
    »Er wird ihnen die Waffen abnehmen«, sagte Mirski. »Sie dürfen nicht bewaffnet sein, wenn ich erscheine.«
    »Und du gehst jetzt hinunter zu ihnen?«, fragte Pogodin.
    »Ja.«
    »Traust du Vielgorski?«
    »Ich weiß nicht. Es ist schon riskant.«
    »Nicht nur für dich«, wandte Pogodin ein. »Wir haben mit dir zusammengearbeitet – Pletnew, die Wissenschaftler, ich, Annenkowski, Garabedian.«
    Mirski eilte zur Treppe. Er bekam eine Gänsehaut beim Hinuntergehen. Jetzt hatte er mehr Angst als beim Absprung vom Schwertransporter ins Bohrloch. Er fühlte sich wie ein Kind, was ihm komisch vorkam. Und er war müde. Müde, wie er es beim Amerikaner Lanier beobachtet hatte.
    Tür auf.
    Hinein in die Bibliothek. Nur die drei Zampoliten waren hereingekommen: Vielgorski richtete eine Pistole auf Belozerski, während Jazikow danebenstand und den Amtskollegen empört anstarrte. Ihre Gewehre lagen außer Reichweite auf dem Boden, waren mit dem Fuß weggestoßen worden.
    »Kommen Sie her, Genosse General!«, sagte Vielgorski. Er ging ein paar Schritte vor, wobei er nach wie vor mit der Pistole zielte, und bückte sich nach einem AKV . Belozerski funkelte Mirski mit irrsinnigem Hass an. Jazikows Miene war beherrscht und ohne Ausdruck. Mirski ging auf sie zu.
    Als er bis auf fünf Meter herangekommen war, schwenkte Vielgorski die Pistole von Belozerski und zielte mit einem Seufzer auf Mirski. »Ich danke dir nicht, Genosse«, sagte er und drückte ab.
    Mirskis Gesichtsfeld wurde verzerrt, als würde man die Zerrlinse eines Kinoprojektors plötzlich verstellen. Eine Kopfhälfte schien sehr groß zu sein. Er fiel auf die Knie und kippte nach vorne, fiel um und schlug mit der Backe fest auf dem federnden Boden auf, was mehr wehtat als das, was mit seinem Kopf passiert war. Sein heiles Auge blinzelte.
    Vielgorski senkte die Pistole, reichte sie Belozerski, ging zu den umherliegenden Gewehren, hob eines auf, zielte auf die Bestuhlung und ballerte drauflos. Chromkugeln flogen durch die Gegend und Querschläger, wobei der Lärm trotz des Echos in der großen Halle wie von Ferne klang.
    Belozerskis entzückter Jubelschrei fand ein jähes Ende, als ein gewaltiges, unbeschreibliches Geräusch ertönte. Die drei politischen Offiziere zuckten zusammen; Vielgorski ließ die Waffe fallen und warf den Kopf zurück. Jazikow hielt sich bald die Ohren, bald den Mund zu. Alle drei brachen sie zusammen. Weiße Schwaden strömten aus Düsen an der Decke und bildeten einen dichten Nebel.
    Der Nebel senkte sich auf sie herab, und Mirski schloss das eine Auge und war froh, endlich ungestört schlafen zu können.

44
    Lanier, der sich schlafend stellte auf der Liege und an die cremefarbene Decke starrte, wusste nur so viel:
    Sie waren untergebracht im äußeren Bereich des rotierenden zylindrischen Axis Nader: fünf Apartments in einer Etage mit Schlaf-, Wohn- und Badezimmer; ein gemeinsamer Essensbereich und ein großer, kreisrunder Aufenthaltsraum am Ende des Flurs. Die Zentrifugalkraft war in diesem Bereich nur geringfügig kleiner als auf den Kammerböden des Steins. Alle Räume waren verschlossen und

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