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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sie im Werkunterricht einer Highschool aus Abfallmaterialen entstanden. Polk hatte für Patricias Begriffe mehr Ähnlichkeit mit einem Mannequin als mit einem Astronomen. Sogar im Overall wirkte ihre dunkle Schönheit vornehm distanziert, wobei ihr Ausdruck gar nicht ablehnend, eher skeptisch war. Wallace war auch nicht die Hässlichste, brachte aber zwanzig Pfund Übergewicht auf die Waage. Sie wirkte irgendwie beunruhigt.
    Carrolson hatte das Dienstverzeichnis beim Haupteingang erläutert. »Es sind dreißig Frauen hier im wissenschaftlichen Team und sechzig Männer. Zwei Ehepaare, vier Verlobte …«
    »Fünf«, hatte Patricia verbessert.
    »Und sechs Verheiratete, die aber ohne Gatten hier sind. Das bedeutet wenig Auswahl für die Junggesellen. Ob verlobt oder nicht, du bist Freiwild, wenn du deinen Namen auf die Liste setzt.« Carrolson blickte zu Polk und Wallace. »Stimmt’s, Mädchen?«
    »Ein Paradies hier«, sagte Polk, die von ihrer Tafel aufsah und dabei große Augen machte. »Besser als an der Universität.«
    »Gibt’s Probleme«, sagte Carrolson, »dann an mich wenden! Ich bin hier die Betreuerin – schon aus Altersgründen.«
    »Ich komme schon zurecht«, hatte Patricia erwidert.
    Sie war, was das Zwischenmenschliche anging, nie ein Schmet terling gewesen, sondern eher hart und direkt gelandet – und normalerweise ohne Erwiderung geblieben. Mit Paul war das nun freilich ihre geringste Sorge hier. Obwohl – und sie lächelte im Dunkeln – Lanier ein hübscher Kerl war. Allerdings etwas bedrückt. Patricia fragte sich, ob sie auch so bedrückt aussähe, sobald sie das ganze Bild hier kennen würde.
    Ohne gewahr worden zu sein, dass sie geschlafen hatte, hörte sie das Wecksignal von ihrem Sprechgerät. Neben ihrem Bett schaltete sich bei diesem Signal angenehm gelbes Licht an. Sie betrachtete die kahlen, weißen Wände und wusste sofort wieder, wo sie war. Sie fühlte sich schon heimisch hier, war richtiggehend aufgeregt, voller Erwartung. Sie schwang die Beine aus dem Bett.
    Patricia war kein Abenteurertyp. Zwar hatte sie schon Wanderungen unternommen oder gezeltet, aber an sich war sie nicht der sportliche Frischluftfan. Allerdings liebte sie das Radfahren. Alle sechs bis acht Monate wurde sie zum begeisterten Radfahrer und kurvte stundenlang um den Campus herum. Nach einigen Wochen legte sich dieser Drang wieder, und sitzende Gewohnheiten stellten sich wieder ein.
    Sie hatte stets zu viel zu tun – im Kopf und auf dem Papier. Die Denkarbeit ließ sich fast überall bewerkstelligen, aber nicht wenn man gefährliche Pfade erklomm oder hundemüde war nach einem Gewaltmarsch.
    Aber hier …
    Irgendwann in dieser Nacht hatte sie den Stein zu ihrem Fall gemacht. Sie kannte dieses Gefühl, denn mathematische Probleme war sie mit dem gleichen Elan angegangen. Sie war fasziniert. Ihr Herz schlug schneller, und sie lief rot an wie ein junges Ding.
    Als Lanier klopfte, war sie angezogen und gekämmt. Sie öffnete erwartungsvoll die Tür.
    Carrolson stand hinter ihm. »Frühstück?«, fragte Lanier. Im üblichen blauen Overall des wissenschaftlichen Teams sah sie praktischer aus, dachte er.
    Das klare, bläuliche Licht der Plasmaröhre blieb immer unverändert und warf nur einen ganz leichten Schatten unter den Füßen, als sie sich auf den Weg machten. Die Cafeteria, die neben der ackerbaulichen Versuchsanstalt stand, gab gerade Frühstück aus für die 15:00-24:00 -Schicht. Die »Nacht« hatte für Patricia um sechs Uhr »morgens« begonnen und bis »nachmittags« um zwei gedauert. Lanier sagte, er schlafe unregelmäßig; Carrolson beendete gerade ihre Schicht.
    Ungefähr zwanzig Leute vom wissenschaftlichen Team standen um einen Videomonitor an einem Ende der Cafeteria. Lanier stellte sich kurz dazu und kam dann wieder, als Carrolson und Patricia sich gerade mit ihrem Dinner beziehungsweise Frühstück setzten. Ein Automat gab auf Tabletts das Essen aus, das jeweils die richtige Temperatur hatte und erstaunlich gut schmeckte. Ein Zapfhahn daneben war versehen mit dem Schild: »Echtes STEIN -Wasser – ein Erlebnis! H 2 O von den Sternen!« Das Wasser sprudelte nicht, hatte aber Geschmack.
    Lanier deutete auf die Gruppe vor dem Bildschirm. »Fußball«, erklärte er. »Hunt und Thanh haben sich rangehängt an die Bohrloch-Mikrowelle und das Aufgebot draußen. Irgend so ’n kommerzielles Ding überträgt ein kodiertes Match an seine Abonnementen, und wir sind zufällig in derselben Ecke des Himmels wie

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