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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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tauchten Eindrücke des Tages vor ihr auf.
    Der dreißig Kilometer breite Kammerboden, ein grau-braun-gesprenkelter Talgrund, zu beiden Seiten deckelartig verschlos sen von nacktem Fels und natürlichen Metallwänden und durch zogen von der leuchtenden Plasmaröhre.
    Die eigenartige Perspektive, die sich ihr geboten hatte, als sie vor dem ebenerdigen Eingang zum Aufzug stand, angesichts der Unermesslichkeit der Landschaft, die sich kilometerweit flach und ganz normal dahinzog wie eine Wüste an einem leicht bedeckten Tag. Dann jedoch wurde beidseitig – in Drehrichtung und entgegengesetzt – die Krümmung ausgeprägter. Patricia hatte den Eindruck, unter einem riesigen Brückenbogen zu stehen, über dem als heller Strom die Plasmaröhre floss. Direkt im Norden stieg das Gelände an und fügte sich nahtlos an die runde Kappe an. Wenn man nach oben blickte, wurde alles verzerrt wie durch ein Weitwinkelobjektiv; der Deckel neigte sich dem entgegengesetzten zu und vollendete so über der Plasmaröhre den Kreis.
    Der Stein war nach wie vor aktiv, obwohl diese Kammern vor Jahrhunderten verlassen worden waren.
    Lanier hatte nicht viele Fragen beantwortet, sondern festgestellt, dass sie in einem »Prozess« den Stein Stück für Stück kennenlernen und erleben müsse. »Andernfalls«, hatte er erklärt, »hättest du keinen Grund, uns zu glauben.« Das klang vernünftig, aber dennoch war Patricia frustriert. Was war daran so rätselhaft? Der Stein war herrlich und faszinierend, aber keine Herausforderung für sie, soweit sie das beurteilen konnte. Höhere Physik, ganz einfach.
    Es war wirklich einfach. Man nehme einen großen Asteroiden mit Nickeleisenkern – den üblichen Milliarden Jahre alten Brocken planetarischer Urmaterie – und setze ihn auf eine Umlaufbahn. Man höhle sieben Kammern aus, die durch ein Bohrloch in der Achse miteinander in Verbindung stehen, dann treibe man Tunnels, Gänge, Lagerräume und Aufzugschächte in die Wände. Schaffe ergänzend kohlenstoff- und eisenhaltiges Asteroidenmaterial heran und verfrachte es in die Kammern. Schicke ihn auf eine Reise ins tiefe All und siehe da!
    Der Stein.
    Patricia hatte mittlerweile einige wesentliche Fakten in Erfahrung gebracht. Jeder Kammerboden war durch ein Tunnelsystem im gemeinsamen Asteroidenmaterial verbunden. Viele dieser Tunnels gehörten zu einem weitläufigen Schienentransportnetz. Gleise gab es nicht in der ersten Kammer, denn diese hatte als Reserve- und Lagerraum gedient und war selten betreten worden, als der Stein noch bewohnt war. Die siebte Kammer hatte offenbar dem gleichen Zweck gedient, was durchaus logisch war: Die äußersten Kammern fungierten zugleich als Puffer gegen Beschädigungen der vergleichsweise dünnen Asteroidenpole. Die Wand zwischen dem ersten Kam merdeckel und dem All war stellenweise nur wenige Kilometer dick.
    Allerdings war an der siebten Kammer etwas eigenartig. Patricia hatte das aus Laniers Tonfall herausgehört und aus den Gesichtern derjenigen herausgelesen, die sie in der Cafeteria getroffen hatte. Und da waren die Gerüchte, die auf der Erde kursierten …
    Irgendwie war die siebte Kammer anders, von entscheidender Bedeutung.
    Bisher war sie drei Wissenschaftlern des Teams begegnet: Robert Smith, dem großen, dürren, rothaarigen Experten für Asteroidenbildung mit den niedergeschlagenen Augen, der immer traurig aussah; Hua Ling, dem schmächtigen, eifrigen Leiter des chinesischen Teams und Plasmaphysiker, der sich meist am Bohrloch des Südpols aufhielt; Lenore Carrolson, einer fünfzigjährigen Dame mit vollem Gesicht, graumeliertem blondem Haar und einer stets freundlichen Miene und Lachfältchen um die Augen.
    Carrolson hatte Patricia mit mütterlicher Fürsorge begrüßt. Es hatte einige Minuten gedauert, bis Patricia klar wurde, dass es die Lenore Carrolson war, die Astrophysikerin und Nobelpreisträgerin, die vor acht Jahren die Gemsterne entdeckt und teilweise erklärt hatte.
    Carrolson hatte auf Laniers Andeutung hin die Aufgabe übernommen, Patricia die Frauenquartiere zu zeigen, die untergebracht waren in einer länglichen Glasfiberbaracke am Nordende des Gevierts. Die Zimmer waren klein und karg, aber auf ihre Art gemütlich und praktisch mit durchdachten, superleichten, kompakten Möbeln ausgestattet. Im Aufenthaltsraum dieses Blocks hatte Carrolson Patricia zwei weiteren Astronomen vorgestellt: Janice Polk und Beryl Wallace von Abell Array in Nevada. Sie lagen auf Sofas, die aussahen, als wären

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