Aerzte zum Verlieben Band 42
mitnehmen dürfen. Sie war selbst verletzt. Dominic sah zu Erin hinüber, doch die blickte entschlossen nach vorn. Als ob er den Wagen anhalten und sie hinauswerfen würde.
Dabei hatte er gar keine Zeit zu streiten. Selbst wenn er wollte …
Dominic rief per Handy den Rettungsdienst in Campbelltown an und bat um Hilfe. Dann konzentrierte er sich aufs Fahren, auf das, was vor ihnen lag.
„Erzählen Sie mir, was uns erwartet“, unterbrach Erin die Stille.
„Jamie ist acht Jahre alt“, berichtete er, ohne das Tempo zu drosseln. „Er ist schon öfter dran vorbeigeschrammt. Letztes Mal hat die Mutter eines Freundes Erdnussbuttersandwichs gemacht und vergessen, das Messer zu säubern, bevor sie ihm ein Schinkensandwich geschmiert hat. Er ist beinahe gestorben. Diesmal hat er einen halben Müsliriegel gegessen. Sein Cousin hatte behauptet, es wären keine Nüsse drin, aber das Gegenteil war der Fall.“
„Seine Eltern haben sicher ein Notfallset?“
„Adrenalin, Antihistaminikum, Kortison und einen Aktionsplan. Sie haben alles getan, was man ihnen für den Ernstfall beigebracht hat, aber als sie vom Auto aus anriefen, konnte ich den Jungen nach Luft schnappen hören.“
„Fühlen Sie sich durch diese Doppelbelastung – Pflegekinder und Hausarzt mit Rufbereitschaft – nicht doch überfordert? Ich stelle es mir schwierig vor, beidem gerecht zu werden. Das erscheint mir irgendwie nicht fair, nicht den Kindern gegenüber, nicht Ihren Patienten gegenüber – und auch nicht Ihnen selbst gegenüber.“
„Natürlich ist es nicht fair“, erwiderte er grimmig. „Die Jungen brauchen eine Ganztagsbetreuung, aber weil sie beide aus so schrecklichen Familien kommen, will keine Pflegefamilie sie aufnehmen. Mit Nathan handelt man sich zwangsläufig auch den gewalttätigen Michael ein. Und Martins Mutter? Sie liebt Martin, wenn er krank ist. Also versucht sie, ihn krank zu machen. Es ist das Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Wenn er krank oder verletzt ist, bekommt sie Aufmerksamkeit. Das hat dazu geführt, dass Martin sich auch schon selbst verletzt. Nein, diese Kinder bleiben bei mir oder landen im Jugendstrafvollzug, weil es sonst keinen sicheren Ort für sie gibt.“
„Sie setzen sich mit diesen Leuten auseinander …“
„Das muss ich. Um meine Kinder zu schützen.“
„Das ist verrückt.“
„Ja.“ Sie hat recht, dachte er. Es ist verrückt. Warum tue ich das?
Solche Beharrlichkeit hatte sie noch nie bei einem Menschen erlebt. Eine Beharrlichkeit, die sie tief beeindruckte. Plötzlich schien ihr alles andere unwichtig. Alles außer Dom.
„Warum sehen Sie mich so seltsam an?“
Erin zuckte zusammen. „Entschuldigung. Ich habe nur nachgedacht …“ Über die Arbeit. Über das, was vor ihnen lag. Natürlich. „Wie sind Sie ausgerüstet?“
„Wenn ich muss, kann ich mitten auf der Straße operieren, und vielleicht muss ich das. Wir haben ihn letztes Mal beinahe verloren. Aber he, heute habe ich noch eine Ärztin dabei. Auch wenn ihr Schuhwerk etwas zu wünschen übrig lässt. Wer braucht da schon OP-Säle und das dazugehörige Personal?“
Wie aufs Stichwort kam ein anderes Auto in Sicht. Es raste so schnell über den Hügel, dass es zu fliegen schien. Das müssen sie sein, dachte Erin.
Dom fuhr rasch an den Straßenrand, und das Auto der Sutherlands hielt innerhalb von Sekunden mit quietschenden Bremsen neben ihnen. Bevor sie überhaupt richtig standen, war Dom aus dem Auto und riss die Hintertür des Wagens auf, in dem der Junge war. Erin folgte ihm. Und entdeckte ihren Patienten. Auf dem Rücksitz, in den Armen seiner Mutter, lag ein Kind, schlaff und blau angelaufen.
Erin lief zu Doms Wagen zurück, holte seine Arzttasche und öffnete sie. Suchte nach dem, was sie brauchte. Sekunden später bettete Dom den kleinen Jungen auf den Boden. Seine Hand lag an Jamies Hals, als er versuchte, den Puls zu fühlen.
„Ja“, sagte er.
Also gab es Hoffnung. Wenn der Puls noch da war … Etwas Luft musste er noch bekommen haben.
Aber jetzt nicht mehr.
Das Gesicht des Kindes war stark angeschwollen. Sein Mund stand offen, und Erin sah, wie geschwollen die Zunge war, sodass sie die Luftröhre blockierte.
Seine Brust bewegte sich nicht.
„Luftröhrenschnitt“, sagte sie leise, und Dom nickte. Nur diese drastische Maßnahme konnte ihn jetzt noch retten.
„Skalpell und Kanüle“, ordnete er an.
Sie hatte alles Nötige bereits aus seiner Tasche genommen. Jetzt riss sie mit den Zähnen ein
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