Heirate mich, Prinzessin!
PROLOG
Sechs Jahre zuvor
„Es gibt also tatsächlich Götter, die auf Erden wandeln!“
Der atemlose Ausruf ihrer Freundin veranlasste Clarissa D’Agostino dazu, die Stirn zu runzeln, während sie weiterhin vergeblich auf einem Fleck auf dem Oberteil ihres lavendelfarbenen Chiffonkleides herumrieb. Warum hatte sie auch so lustvoll in diese überreife Pflaume gebissen! Das gehörte sich nicht für eine castaldinische Prinzessin. War es nicht ihre Pflicht, überall und zu jeder Gelegenheit hoheitsvoll und makellos zu erscheinen? Doch auch nach vier Jahren Harvard Business School und einem Einser-Examen schaffte sie es einfach nicht, bei öffentlichen Veranstaltungen eine gute Figur zu machen.
Sie schnitt eine Grimasse, als sie erkannte, dass der Fleck nicht rausgehen würde. „Was redest du da?“, fragte sie die Freundin.
„Schau doch mal da drüben! Dieser göttliche Mann!“
Clarissa folgte dieser Aufforderung nicht, sondern musterte Luci, die sich enthusiastisch Luft zufächelte, kritisch.
„Ich dachte schon, sein Profil sei das Tollste, aber du musst ihn mal von vorne sehen. Sein Gesicht ist einfach ’ne Wucht“, schwärmte Luci weiter.
Entsetzt starrte Clarissa ihre Freundin an. Was war nur mit Luciana Montgomery los, der feministisch angehauchten Amerikanerin, die zwar castaldinische Wurzeln besaß, doch noch nie zuvor beim bloßen Anblick eines Mannes so ausgeflippt war? Clarissa und Luci waren zusammen aufs College gegangen. Dort hatte Luci, die lebhafte Rothaarige, viele gut aussehende Verehrer gehabt, doch noch immer war sie der Meinung, dass außer Clarissas Brüdern und Cousins keine begehrenswerten Männer existierten. Und jetzt flippte sie wegen eines völlig Fremden schier aus.
Gleich darauf wurde es völlig absurd, denn Luci packte Clarissas Arm und rief aufgeregt: „Er schaut dich an!“
„Ich hätte schwören können, dass du nur ein einziges Glas Champagner getrunken hast“, erwiderte Clarissa trocken. Um herauszufinden, was ihre Freundin in ein geradezu hysterisches Schulmädchen verwandelt hatte, wandte sie sich um. „Wahrscheinlich meint er jemand ganz and…“
Die Worte blieben ihr im Hals stecken.
In diesem Ballsaal waren so viele Männer, die sie nicht kannte. Zu lange war sie weg gewesen. Hinzu kam, dass sie früher nur selten am höfischen Leben teilgenommen hatte. Sie war jenes Mitglied der königlichen Familie, das man am ehesten vergaß, und das war ihr nur recht. Doch in diesem Saal hier befand sich nur ein einziger Mann, der Lucis Enthusiasmus wert gewesen wäre.
Zumindest war er der einzige, den Clarissa sah.
Er war kein Gott. Keines der Abbilder göttlicher Wesen, die Clarissa jemals gesehen hatte, hielt einem Vergleich mit diesem Mann stand. Nie hätte sie gedacht, dass eine derartige Attraktivität möglich war. Sie blinzelte, um sich zu vergewissern, dass er keine Fata Morgana war.
Nein. Er war Wirklichkeit. Und er schaute ihr direkt in die Augen.
Ihr Herz machte einen Sprung, und sie verlor das Gefühl für Raum und Zeit. Zitternd begegnete sie seinem Blick und meinte, ihre eigenen Gefühle darin gespiegelt zu sehen. Zwischen ihnen herrschte eine elektrisierende Spannung, eine geradezu magische Verbindung, die die Distanz spielend zu überbrücken schien.
Doch plötzlich wandte er sich ab, und die Verbindung brach ab. Clarissa war einen Moment verstört, aber dann sah sie, weshalb er den Blickkontakt unterbrochen hatte.
Ihr Vater war neben ihm aufgetaucht und lächelte den Mann so herzlich an, dass es Clarissa einen Stich versetzte. Seit sie ein kleines Kind gewesen war, hatte König Benedetto sie nicht mehr so angelächelt.
Der Mann schaute den König kühl an, als stehe er einem Fremden gegenüber. Benedetto sprach, der Mann hörte zu. Sofort setzte sich Clarissa in Bewegung, um hinüberzugehen. Sie wollte dem Mann nahe sein, herausfinden, was gerade zwischen ihnen geschehen war. In diesem Moment wandte er sich zu ihr um, und erneut schauten sie sich in die Augen.
Sie blieb stehen. Ihr Atem stockte, ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, und ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken.
Was sie in seinem Blick las, war unmissverständlich: Kälte, ja, Feindseligkeit lag darin. Das bedeutete, dass sie falsch gelegen hatte. Offensichtlich gab es zwischen ihnen keinerlei Magie, keinerlei Anziehungskraft. Oder wenn, dann nur auf ihrer Seite.
Ehe sie sich von der Demütigung erholt hatte, wandte der Mann sich ab und ließ ihren Vater
Weitere Kostenlose Bücher