Aerzte zum Verlieben Band 52
Armut hier herrschte. Hühner pickten im Staub nach Futter, Hunde streunten zwischen den Häusern umher. Leah sah auch Ziegen, die vor den Behausungen angebunden waren, aber keine Menschenseele – bis aus einem Haus ein Mann auftauchte, der eilig die Straße entlanglief. Er hatte sich ein Tuch vor Mund und Nase gebunden.
„Wo sind die Leute?“, stellte Gabe die Frage, die auch Leah durch den Kopf ging.
„Sie bleiben zu Hause“, erklärte David. „Seit die Grippe ausgebrochen ist, sind die Straßen wie ausgestorben. Jeder erledigt nur das Notwendigste. Dennoch verschlechtert sich die Lage von Tag zu Tag.“
„Und was ist mit deinen Kindern?“
David machte ein besorgtes Gesicht. „Vier sind schon an einer Lungenentzündung gestorben. Da in einem Heim die Ansteckungsgefahr groß ist, isolieren wir die kranken Kinder und bringen sie in die Klinik. Leider verfügen wir nicht über genügend Mittel, um alle zu versorgen. Deshalb hatte ich dich angerufen.“ Er deutete nach vorn. „Da ist unsere Klinik, Leah. Wir haben sie allein der Großzügigkeit deines Mannes zu verdanken.“
„Und deiner Beharrlichkeit“, fügte Gabe hinzu.
David lachte leise. „Das auch.“
Das schlichte weiße Gebäude nahm sich wie ein Schuhkarton aus neben der Kirche mit ihrer verschnörkelten spanischen Architektur. Über dem Eingang hing eine Tafel mit der Aufschrift Clínica , und auf dem Dach hockte, wie ein riesiger Vogel, eine große Satellitenschüssel.
In den vier Krankenzimmern, die für jeweils fünf Patienten gedacht waren, lagen doppelt so viele. Die meisten waren Kinder. Für einige der Kleinsten gab es keine Bettchen mehr, und man hatte sie in Pappkartons gelegt. Ein paar Kinder husteten, andere weinten, und die übrigen waren zu krank, um überhaupt einen Laut von sich zu geben. Manche hingen am Tropf.
Im letzten Raum saß Dr. Hector Aznar am Bett eines kleinen Jungen und horchte ihm die Lungen ab. Die Schwester neben ihm flüsterte dem Arzt etwas ins Ohr, woraufhin er lächelnd aufblickte.
„Gabriel, herzlich willkommen!“ Er schüttelte Gabe die Hand. „Ich freue mich, dich zu sehen.“ Dann sprach er auf Spanisch weiter, und Leah verstand kein Wort mehr.
Während sich die beiden Männer unterhielten, schaute sie sich um. Eine Frau in Schwesterntracht überprüfte die Infusionsbeutel. Einige Erwachsene, wahrscheinlich die Eltern, gaben ihren Kindern zu trinken oder hielten sie einfach nur im Arm.
„Gabriel hat erzählt, dass Sie Krankenschwester sind?“, sprach Hector sie mit starkem Akzent an.
„Das stimmt“, antwortete sie freundlich.
„Gut. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Unsere Frauen sind erschöpft.“
„Ich werde tun, was ich kann“, versprach Leah. „Sind Sie der einzige Arzt?“
„Mein Partner Miguel Diego arbeitet auch hier, aber da Sie jetzt da sind, hofft er, in die Dörfer fahren zu können, die wir normalerweise einmal im Monat besuchen. Die Menschen dort brauchen dringend Hilfe. Leider sind wir nicht genug, um alle auf einmal zu versorgen.“
„Das ist eine schwere Last“, meinte sie mitfühlend.
Hector nickte. „Sehr schwer, aber wir geben unser Bestes. Ihr Mann ist unser Schutzengel.“
Leah warf Gabe einen Blick zu. Sein schiefes Lächeln konnte nicht verbergen, dass ihn das Lob des Kollegen verlegen machte.
Auf einmal kam sie sich kleinlich und engstirnig vor. Jahrelang hatte sie auf seine Arbeit herabgesehen, war eifersüchtig gewesen, ohne es sich ernsthaft einzugestehen. Natürlich hatte sie gewusst, dass er vielen Menschen half, doch es mit eigenen Augen zu sehen, machte einen himmelweiten Unterschied aus.
Hector redete jetzt wieder in schnellem Spanisch auf Gabe ein. Der nickte und übersetzte dann.
„Okay, du bist der Kinderarzt“, wandte er sich an Ben. „Sieh dir die schlimmsten Fälle zuerst an. Hector meint, die Lungenentzündungen seien das größte Problem. Deshalb sollten wir so schnell wie möglich die Antibiotika ausgeben. Die Schwestern sprechen einigermaßen Englisch, du kommst bestimmt allein zurecht. Falls es Probleme gibt, sag mir Bescheid.“
„Okay, aber bleib in der Nähe.“ Ben zog sich den Arztkittel über, den Hector ihm gegeben hatte. „Mein Spanisch ist nicht mehr so fit. Kann gut sein, dass ich eine Blutdruckmanschette brauche und ein Klistier bekomme.“
Gabe grinste. „Klar … gib dein Bestes.“
Als Ben sich an die Arbeit machte, fragte Leah: „Haben wir Infusionsbesteck für die Kinder …“
„Wird gerade
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