Aerzte zum Verlieben Band 57
würde.
Bella? Charlie warf einen zweiten Blick auf die Rollliege. Das Gesicht war unter der Sauerstoffmaske kaum auszumachen, aber die kastanienroten Locken und die blasse, fast durchscheinende Haut gehörten unverkennbar Bella. Er hatte sie nicht gleich erkannt, weil sie unglaublich dünn geworden war. Was war passiert?
Charlie wusste, dass sie schwer unter ihrer Mukoviszidose litt und deshalb überdurchschnittlich oft ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Aber so elend hatte er sie noch nie gesehen.
„Was ist los?“
„Sie hat hohes Fieber und ist stark dehydriert. Ich fürchte, sie hat wieder eine Brustentzündung.“
„Kann ich irgendetwas tun?“ Wahrscheinlich nicht, aber er wollte wenigstens seine Hilfe anbieten.
Evie schüttelte den Kopf, und Charlie sah die Tränen in ihren Augen. Seit fast zehn Jahren war er nun schon mit Evie befreundet. Sie war eine starke Frau, die sich nicht so leicht erschüttern ließ. Also musste es schlimm um ihre Schwester stehen.
„Lauf los, du willst bestimmt bei ihr sein“, sagte er. „Ruf mich, falls ich doch etwas tun kann.“ Er beugte sich vor und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich sehe morgen früh bei ihr vorbei.“
Gedankenverloren blickte er ihr nach, als sie den Sanitätern hinterhereilte, und wünschte, er könnte helfen. Aber er war orthopädischer Chirurg … nicht der Mann, den Bella brauchte.
Oben auf der Station angekommen ordnete Sam eine Serie von Tests an und untersuchte Bella gründlich.
Lexi war mit ihrem Wagen ins Krankenhaus gefahren und saß jetzt mit Evie im Warteraum. Beide versuchten, geduldig zu sein und Sam in Ruhe seine Arbeit machen zu lassen. Allerdings musste sich Evie immer wieder ermahnen, dass sie als Bellas Schwester hier war. Nicht als ihre Ärztin.
Endlich tauchte Sam aus dem Untersuchungszimmer auf und winkte sie herein. „Ich nehme sie stationär auf“, verkündete er ernst. „Sie hat 39,5° Fieber, also vermutlich wieder eine Brustentzündung. Und sie hat seit ihrem letzten Aufenthalt hier drei Kilo verloren. Dabei sollte sie an Gewicht zulegen. Ihr BMI liegt bei siebzehn.“
Evie wusste, dass Bella zu dünn war, viel zu dünn. Alle Patienten, die an zystischer Fibrose litten, nahmen schlecht zu, aber Bella fehlten mindestens fünf, sechs Kilo. Untergewichtig war sie anfälliger für Infektionen – ein Teufelskreis, der sie immer wieder ins Krankenhaus brachte.
„Kommt euer Vater auch?“, fragte Sam.
„Keine Ahnung, wo er ist.“ Evie zuckte mit den Schultern. „Auf meine Nachrichten hat er nicht reagiert. Ich habe gerade noch mal versucht, ihn anzurufen.“ Sie sah Bella an und fragte sich, wie sie es wohl aufnahm, dass ihr Vater unerreichbar war. Aber in ihren großen grauen Augen war nichts zu lesen. „Lexi?“, wandte Evie sich an die Jüngste. „Hast du vielleicht noch eine andere Nummer von ihm?“ Lexi arbeitete mit ihrem Vater zusammen, vielleicht wusste sie mehr.
„Leider nicht. Er wollte essen gehen … nichts Geschäftliches.“
Evie seufzte hörbar. Wenn Richard mit einer seiner „Bekannten“ unterwegs war, würde er nicht ans Telefon gehen – und heute Abend auch nicht nach Hause kommen. Dann merkte er nicht, dass Bella und Lexi nicht in ihren Betten lagen.
„Brauchen wir ihn heute Abend hier?“, fragte sie vorsichtig.
Sie atmete erleichtert aus, als Sam den Kopf schüttelte. „Bella bekommt intravenös Antibiotika und Flüssigkeit, damit sie nicht weiter austrocknet“, sagte er. „Wir müssen einfach abwarten, wie das anschlägt, aber es ist ihre dritte Einlieferung in diesem Jahr. Ich will ehrlich sein. Es sieht nicht gut aus, aber sie wird die Nacht überstehen. Euer Vater kommt sicher so bald wie möglich.“
Bis dahin würde Evie nicht von ihrer Seite weichen. Sie wusste, dass Lexi und sie Bellas eigentlicher Halt waren, nicht die Eltern. Evie wünschte, es wäre anders, aber die Beziehung zwischen Bella und ihrem Vater war schon immer schwierig gewesen. Richard schien mit seiner zweiten Tochter nicht klarzukommen, vielleicht auch wegen ihrer Krankheit.
Evies Verhältnis zu ihm hatte sich verändert, nachdem die Mutter die Familie verlassen hatte. Teilweise gab Evie ihm die Schuld daran. Natürlich hatte ihre Mutter die Entscheidung getroffen, aber vielleicht hätte er mehr tun können, damit sie blieb. Danach fiel es Evie zu, sich um ihre jüngeren Schwestern zu kümmern. Diese Verantwortung prägte ihre Kindheit und Jugend, und sie fragte sich oft, wie sie
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