AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
lächle.“ Roberto Sarfatti wird zum jugendlichen Idol einer Generation stilisiert. Hunderttausende sterben, Roberto inspiriert die Dichter. D’Annunzio schreibt an Margherita: „Ich werde seiner in einer kommenden Heldentat gedenken, mit einem ihm gewidmeten Wagemut, der mich ihm gleich macht.“
Die Mutter, die ihren Sohn betrauert, betäubt sich mit Arbeit. Sie schreibt für den „Popolo“, bejubelt das nahende Kriegsende, hofft auf den Sieg. Und legt die ideologischen Fundamente für einen neuen Staat: „Terza Italia“ – das „Dritte Italien“, ein Vorgriff auf Hitlers „Drittes Reich“. Aus der Affäre mit Mussolini wird eine Leidenschaft. Der Rausch des italienischen „Sieges“, der doch mehr ein Zusammenbruch des alten Österreich-Ungarns war, verbindet sich mit der Leidenschaft einer wilden Liebe. Mussolini, er nennt Sarfatti in seinen Briefen „mein Segel“, ist in die attraktive Intellektuelle verliebt. Sie gibt ihm sexuelle Leidenschaft und geistigen Zuspruch. Beide sind verheiratet, beide halten nach außen an ihrer Ehe fest. Margheritas Ehemann Cesare hat ohnehin längst Ablenkung gefunden. Er ist erfolgreich, wohlhabend, liebt das Glücksspiel und tröstet sich mit anderen Frauen. Mussolinis Gattin Rachele empfängt Kinder, erzieht sie und spielt im Leben des „Duce“ eine untergeordnete Rolle.
Als der Rausch des Sieges verebbt, stürzt Italien in einen tiefen Kater. Die Wirtschaft bricht unter der Schuldenlast zusammen, Kriegsveteranen werden von Helden zur Last. Mussolini nutzt die allgemeine Unzufriedenheit zu politischer Agitation. Binnen weniger Jahre wird er zur politischen Führergestalt. Er gibt den italienischen Massen eine Vision. „Die Masse jubelt, schreit, leidet, wie und wann er will: das weiß die Masse, und auch deshalb liebt sie ihn“, schreibt Margherita. Er bläst zum „Marsch auf Rom“ und droht in entscheidender Stunde zu versagen. Margherita stützt ihn, trägt ihn, finanziert ihn. Sie zahlt. Rund eine Million Lire aus ihrem Privatvermögen investiert sie in die faschistische Partei. „Jenen Marsch musste man machen“, erinnert sich die Geliebte, „er war nicht länger verschiebbar. Und ich wollte nicht mein Geld verlieren, das war keine unbeträchtliche Summe.“ Der Faschismus siegt. Die Schwarzhemden prügeln sich ihren Weg an die Macht. Der „Manganello“, ein langer Prügel aus gedrechseltem Hartholz, wird zum Symbol einer gewalttätigen Bewegung, mehr noch als die „Faci“, die Rutenbündel der römischen Liktoren, die dem Faschismus seinen Namen geben. Mit Mussolini erklimmt seine jüdische Geliebte den Gipfel der Macht.
Alma Mahler-Werfel feiert die Sarfatti als „ungekrönte Königin Italiens“. Margherita schreibt für einen englischen Verleger eine offizielle Biografie des „Duce“. Sie wird in 19 Sprachen übersetzt und in großen Auflagen verbreitet. Auf mehr als 300 Seiten zeichnet Sarfatti ein leuchtendes Bild ihres Verehrers. In Italien erscheint das Werk mit dem lateinischen Titel „Dux“. Das ist Programm. Der plumpe Bauernsohn wird in die Tradition des römischen Weltreichs gestellt. Die PR-Offensive der großbürgerlichen Kunstsammlerin und Salondame Margherita für den einst linkisch wirkenden Volkstribun greift im Inland und darüber hinaus. Das Buch wird zu einem Welterfolg. In Italien sorgt die faschistische Parteiorganisation für Massenauflagen. Der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt empfängt die Biografin des Faschisten-Führers im Weißen Haus. In New York logiert sie im teuersten Hotel. Sie genießt ihre Rolle als Muse der Kunst, als exzentrische Mätresse eines Mächtigen. Sie fühlt sich als Star und posiert in Haute-Couture-Kleidern. Fast zeitgleich gelingt es ihr, der italienischen Kulturpolitik ihren Stempel aufzudrücken. Sie gründet die Künstlervereinigung „Novecento Italiano“, eine Gruppe auserwählter Maler, die für Sarfatti Hoffnungsträger einer italienischen Moderne sind. Mussolini eröffnet 1926 persönlich die erste Ausstellung. Der Faschist erkennt in den frühen Jahren der Diktatur den propagandistischen Wert einer Symbiose von Politik und künstlerischer Avantgarde. Mussolini unterscheidet sich in seinem Kunstverständnis radikal von seinem späteren Idol Adolf Hitler, der die Moderne als „entartet“ begreift.
In den Dreißigerjahren beginnt Margheritas Stern rasch zu verglühen. Mussolini stillt seine erotischen Begierden mit jüngeren Damen. Was sie geben konnte, hat er
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