AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Jahre durchaus mühevoll sein. Der Kronprinz lässt sich aber keineswegs nur auf die Rolle eines „Lady’s Man“ reduzieren. Edward reiste viel, besuchte die Länder des Commonwealth und nahm seinen Titel als „Prince of Wales“ so ernst, dass er die verarmte Region im Südwesten der Insel mehrmals besuchte und das Schicksal der Arbeitslosen in den Regionen mit heruntergewirtschafteten Kohlenminen und stillgelegten Stahlwerken mit eigenen Augen sah.
Mehr als 2000 Menschen warten auf dem devastierten Gelände der stillgelegten Stahlwerke in Dowlais am 18. November 1936 auf ihren König. Es ist kalt, windig und feucht an diesem Herbsttag in Südwales. Als der Wagen mit dem königlichen Wappen die Straße entlangfährt, stimmt der Stahlarbeiterchor die Hymne „God save the King“ an. Der 42-Jährige verlässt den Wagen, bleibt stehen, seinen Hut in der Hand. Minutenlang betrachtet der König in den Ruinen des Stahlwerks seine Untertanen. Dreiviertel der Männer von Dowlais sind ohne Arbeit, die Kleider zerrissen, die Schuhe löchrig, sie haben keinen Schutz gegen den Nieselregen. Der Monarch sieht ein Bild des Jammers, spürt, ja riecht die Armut, die existenzielle Hoffnungslosigkeit.
Die Kameraleute der Pathe-Wochenschau halten diese Szene fest.
Dann geht Edward VIII. langsam durch die Reihen der Arbeiter, sie stehen auf, lüpfen ihre Mützen, einige beginnen die walisische Hymne zu singen. Der König schreitet über einen hölzernen Steg in die ehemalige Fabrik, geht durch Gebäude ohne Dach, die Stahlskelette der verrotteten Förderanlagen werfen graue Schatten. Dann spricht Edward VIII. den einen Satz: „Diese Stahlwerke brachten den Menschen Hoffnung. Es muss etwas getan werden, dass diese Menschen hier weiter bleiben können und hier arbeiten können.“ – „Something must be done!“
Seine Sympathie für die „kleinen Leute“ und seine Aufforderungen an die Politik, etwas für die Menschen zu tun, stießen beim politischen Establishment auf Ablehnung. Die abgehobene Aristokratie des Landes hatte für das soziale Engagement des Lebemann-Königs ohnehin kein Verständnis, hielt es für eine weitere schrullige Laune eines gelangweilten Bonvivants. Und die Arbeiterpartei, für die Wales eine ihrer Hochburgen war, betrachtete den demonstrativen Einsatz des Windsors als Eindringen in die ureigene Domäne. Ein König, der sich in die Tagespolitik einmischte, das war ein Tabubruch. In seiner Autobiografie rechtfertigt sich der später zum „Herzog von Windsor“ Degradierte: „Die Leute wirkten dünn und ausgemergelt. Sie trugen schäbige Kleidung. Selbst ein König, der wohl als Letzter den Druck der Depression fühlte, konnte erkennen, dass etwas absolut falsch war.“
Nach seiner Rückkehr aus dem deprimierenden Industrie-Friedhof fiel die Anspannung ab. Der König freute sich auf ein Wiedersehen mit seiner Geliebten. Bevor er den Zug bestieg, der den königlichen Hofstaat nach London bringen sollte, telefonierte Edward VIII. mit der verheirateten Mrs. Simpson. Sie war Ende 1936 zum absoluten Mittelpunkt seines Lebens geworden. „Meine geliebte Wallis, Ich liebe Dich mehr & mehr & mehr & mehr …“, schrieb der König an die Bürgerliche in einem seiner zahlreichen Liebesbriefe.
Die Frau, um derentwillen der König die englische Monarchie beinahe zum Einsturz gebracht hat, wurde als Bessie Warfield im US-Bundesstaat Maryland geboren. Junge Mädchen aus der gehobenen Mittelschicht hatten damals nur ein Ziel zu haben: möglichst rasch einen möglichst reichen Mann vor den Traualter zu schleppen, um dadurch ihre soziale Stellung auszubauen. Bessie arbeitete hart an sich. Selbst den Vornamen legte sie ab. Bessie erinnerte sie viel zu sehr an Kühe und Pferde. Wallis klang schon mehr nach Upperclass. Der Industrielle Ernest Simpson konnte seiner extravaganten Frau ein materiell gut gepolstertes Leben bieten. So viel hatte die ehemalige Bessie immerhin schon erreicht. Liebe war es nicht. In den Überwachungsprotokollen der englischen Geheimpolizei, die die Geliebte des Thronfolgers observierte und ihr Umfeld ausleuchtete, wird Ernest Simpson als skrupelloser Typ beschrieben. Wallis genieße sehr die Bekanntschaft mit Männern und habe zahlreiche Liebschaften.
Als sie 1931 dem englischen Thronfolger und begehrtesten Junggesellen seiner Zeit vorgestellt wurde, war Wallis bereits zum zweiten Mal verheiratet. Gastgeber der Party war die amerikanische Diplomatentochter Thelma Furness, verheiratet und
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