AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
erhielt noch einige andere Anrufe, unter anderem von ihrem Gelegenheits-Geliebten José Bolaños, der sich wiederum erinnern konnte, Marilyn habe von Enthüllungen gesprochen, die „die Welt schockieren würden“. Dieser Anruf gegen halb zehn Uhr dürfte – laut der Forensik-Expertin Rachael Bell, die den Monroe-Tod für das amerikanische Gerichtsfernsehen analysiert hat – ihr letztes Lebenszeichen gewesen sein. Später wird der Todeszeitpunkt mit „vor Mitternacht“ bestimmt. Als die sterblichen Überreste Monroes im Morgengrauen abgeholt werden, stellt der Bestatter fest, dass die Leichenstarre schon eingetreten sei.
Wie tief war Robert Kennedy in Monroes Tod involviert? Tatsächlich hielt sich der Bruder des Präsidenten in diesen entscheidenden Tagen in Hollywood auf. „Bobby“ Kennedy war im Beverly Hills Hotel abgestiegen und hatte mehrfach mit Marilyn Monroe telefoniert. Die Schauspielerin hatte den Justizminister vom Hinauswurf durch ihre Filmproduktionsgesellschaft „20th Century Fox“ während der Dreharbeiten für den Film „Something’s Got to Give“ informiert. Der Präsidentenbruder versicherte ihr: „Sorg Dich nicht wegen des Vertrages, ich werde mich um alles kümmern.“ Monroe rief den Minister ein weiteres Mal an, dabei sollen „unerfreuliche Worte“ gefallen sein. Marilyn droht ihrem Geliebten, die Affäre öffentlich zu machen. Ein Zeuge will sich später gar daran erinnern, den Justizminister am Todesabend vor Monroes Haus in Begleitung dreier unbekannter Herren gesehen zu haben.
Damit ist für alle Verschwörungstheoretiker auch schon das Motiv geliefert. Ein Rosenkrieg mit der bekanntesten Schauspielerin ihrer Zeit, einer Sex-Ikone für Millionen, hätte das Image der Kennedys in der amerikanischen Öffentlichkeit nachhaltig ruiniert. Und möglicherweise wäre dann schon in den prüden Sechzigerjahren publik geworden, dass die Blondine auch dem Präsidenten näher stand, als dies einem verheirateten Mann erlaubt war. Jedenfalls flog der Justizminister am Tag von Monroes Tod von Los Angeles nach San Francisco und telefonierte vom St. Charles Hotel aus mit seinem Schwager Peter Lawford.
Diese Gespräche sind anhand der Aufzeichnungen der Telefongesellschaft belegt, mit großer Sicherheit hat das FBI Monroe und Kennedy abgehört. Die Schauspielerin stand nach ihrer Ehe mit dem linksgerichteten Schriftsteller Arthur Miller unter dem Verdacht, Sympathien für die „Roten“ zu haben. Am Höhepunkt des Kalten Krieges mit der kommunistischen Sowjetunion und unmittelbar nach der McCarthy-Ära, in der jede Form „linker“ politischer Aktivität gnadenlos verfolgt wurde und de facto ein Berufsverbot in Hollywood bedeutete, standen alle Stars der Unterhaltungsindustrie unter strenger Beobachtung. Marilyn Monroes Kontakte zu mexikanischen Gewerkschaftern wurden ebenso observiert wie ihre Sexualpartner und -praktiken. Im FBI-Report wird auch über eine lesbische Affäre berichtet, der Name ihrer Kurzzeit-Geliebten aber geschwärzt (es war Joan Crawford). Auch der Präsident wird von der Bundespolizei ins Spiel gebracht. John F. Kennedy soll bei einigen wenigen Gelegenheiten an Sex-Partys teilgenommen haben. Welche weiblichen Gespielinnen dabei waren, das verdeckt der
FBI-Bericht unter schwarzer Tusche, lesbar bleibt nur ein Wort: „actress“ – Schauspielerin.
Marilyn Monroe verehrte den jugendlichen Präsidenten, dessen bubenhafter Charme ihn zu einem Symbol einer besseren Zeit, zur Projektionsfläche aller idealistischen Hoffnungen und Erwartungen für ein neues Amerika werden ließ. Die berühmteste Frau ihrer Zeit und der jugendliche Präsident: Keine Affäre könnte mehr Fantasien erwecken. Marilyn Monroe setzte alles daran, den Gerüchten Nahrung zu geben. Am 19. Mai 1962 tritt die Schauspiel-Ikone in den Scheinwerferkegel des Madison Square Garden in New York. Ihr Luxuskörper ist buchstäblich in ein hautenges, pfirsichfarbenes Kleid eingenäht. Jede Rundung ist sichtbar. 2500 Strass-Steine lassen Marilyn glitzern. Sie geht zum Mikrofon und haucht ein Geburtstagsständchen: „Happy Birthday, Mr. President.“ Monroe variiert das Liedchen mit einem selbst verfassten Text. „Thanks, Mr. President, For all the things you’ve done, The battles that you’ve won, The way you deal with U.S. Steel (1959 endete ein 116 Tage dauernder Streik beim größten amerikanischen Stahlproduzenten, Anm.), And our problems by the ton, We thank you so much.“
Nach diesen sehr speziellen
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